Mobilitätswende: Mobilität aus der Steckdose

Der Berliner Verkehrsforscher Andreas Knie über die Kaufprämie für E-Autos und neue Strategien gegen alte Blockaden von Autoindustrie, Politik und Gesellschaft.

Mit dem Strom fahren: Ist das E-Auto der Einstieg in eine neue Mobilität? Bild: dpa

zeozwei: Eine Kaufprämie für E-Autos sei Umverteilung von Arm zu Reich, sagen Kritiker. Der Staat solle das Geld lieber in Elektrobusse investieren. Das brächte mehr und sei gerechter. Was sagen Sie, Herr Knie?

Andreas Knie: Prämien sind nicht das ideale Förderinstrument. Es geht um eine zielgerichtete Förderung im Sinne einer vernetzten Mobilität, etwa Förderung von Carsharing und verpflichtendes freies Parken für E-Autos. Aber wenn alle diese Maßnahmen noch nicht politisch durchsetzbar sind, würde eine Prämie zumindest ein Signal darstellen, dass es vorangeht.

Bei aller Begeisterung über die Pariser Klimakonferenz ist die Mobilitätswende offenbar vergessen worden. Wie dringend ist es?

2020 wird der Verkehr mit Gütern und Personen 50 Prozent des Gesamtprimärenergiemarktes ausmachen. 95 Prozent der Mobilität sind fossil. Eine Energiewende ohne Verkehrswende ist Pillepalle.

Was tun?

Mobilitätswende heißt nicht, 45 Millionen Verbrenner in 45 Millionen E-Fahrzeuge umzuwandeln. Aber der erste große Trend lautet: Das E-Auto ist der Einstieg in eine neue Mobilität.

Jahrgang 1960, Soziologieprofessor und einer der führenden Verkehrsforscher Deutschlands. Er ist Geschäftsführer des Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel in Berlin.

Inwiefern?

Der E-Nutzer fährt weniger, häufiger mit dem öffentlichen Verkehr und macht Carsharing. Damit kommt der zweite große Trend: Alles passiert viel vernetzter. E-Fahrzeuge sind Vernetzungsfahrzeuge.

Aber es gibt kaum E-Autos.

Bisher nicht, aber wie ich sagte: E-Autos sind oft gesharte Multiplikationsfahrzeuge, dadurch gibt es viele Nutzer, die schon E-Mobil gefahren sind. Damit sind wir beim dritten Trend: Die Idee, dass man kein eigenes Auto braucht, wird auch immer populärer.

In kleinen Teilen der Gesellschaft.

Das sind keine Mehrheitstrends, richtig, aber damit kann man etwas bewegen. Wenn jetzt die staatliche Politik sagen würde, dass es in fünf Jahren keine Verbrenner mehr in Innenstädten geben darf, behaupten wir, dass das mehrheitsfähig ist.

Wirklich?

Ja, es fehlt einfach der Mut der Politik, jetzt die Rahmenbedingungen der Mobilität von morgen zu schaffen.

Wie kann man das ändern?

Um die Politik zu treiben und damit Leute sich auf Morgen einstellen können, brauchen wir ein Stadtlabor. Derzeit wird Eigentum belohnt, ökologisches Carsharing wird bestraft, das kann man mit einem politischen Rahmen ändern.

Ein Stadtlabor wie Münster?

Münster ist nicht so gut, wie man immer denkt. Die haben zwar einen hohen Fahrradanteil, aber auch einen hohen motorisierten Individualverkehr. Es fehlt der öffentliche Nahverkehr. Aber ich kann mir einige andere Kandidaten in Deutschland vorstellen.

Das neue Elektroauto i3 von BMW hat eine kulturelle Aufladung, das heißt, es ist einfach ein geiles Geschoss. Kann das den E-Durchbruch voranbringen?

Der i3 hat ein ambitioniertes Materialkonzept. Bei aller Kritik an den deutschen Automobilherstellern muss man BMW etwas herausnehmen. Die investieren wirklich viel in Elektromobilität.

Die E-Autos gelten als zu teuer.

Die BMW sind teuer, aber man muss mit der E-Mobilität bei den Schönen und Reichen anfangen. Das Problem ist, dass Marken wie BMW zu mehr als Zweidrittel aller Verkäufe in gewerbliche Flotten eingespeist werden. Deren Formel lautet: billig ein-, teuer verkaufen. Da passt das E-Auto im Moment nicht rein, weil der Wiederverkaufswert unklar ist. Die großen Flotten von Siemens, Post, Bahn oder Telekom haben daher fast keine E-Mobile. Deshalb ist eine Sonderabschreibung für Flotten zentral, damit man schnell die Menge bekommt.

Das Interview ist erschienen in zeozwei 2/16. Gerne können Sie den Artikel auf unserer Facebook-Seite diskutieren.