Mögliche Koalition mit CDU in Hamburg: Grüne befürchten "Öko-FDP"-Image

Nach dem Koalitionsangebot von Hamburgs Bürgermeister Von Beust (CDU) wächst bei linken Grünen die Sorge. Sie warnen vor "schwerem Schaden" für die Partei durch ein Bündnis.

"Oh Gott, jetzt könnte es passieren": Grüne sorgen sich nach CDU-Avancen um ihren Ruf Bild: dpa

BERLIN taz In den internen E-Mailinglisten von Grünen-Politikern des linken Parteiflügels ist die Aufregung groß. Auslöser ist die überraschende Ankündigung von Hamburgs Erstem Bürgermeister Ole von Beust (CDU), nach der bevorstehenden Bürgerschaftswahl im Zweifelsfall lieber mit den Grünen als mit der SPD zu koalieren. Voraussetzung: Es reicht am 24. Februar weder für eine absolute CDU-Mehrheit, noch für Schwarz-Gelb oder Rot-Grün. Das werde per E-Mail nun "sehr aktiv" diskutiert, berichtet das grüne Parteiratsmitglied Julia Seeliger. Manche befürchteten: "Oh Gott, jetzt könnte es wirklich passieren." Das Gespenst Schwarz-Grün ist zurück. Dafür, dass es in Hamburg tatsächlich zum bundesweit ersten konservativ-alternativen Bündnis auf Landesebene kommen könnte, spricht, dass es dort schon zwei solche Bezirkskoalitionen gibt. Auch waren die Avancen der CDU an die Grünen noch in keinem Bundesland so deutlich. Der Grund ist simpel: Von Beust fürchtet um seine Macht. Laut einer Umfrage vom vergangenen Wochenende büßt seine Partei von den komfortablen 47 Prozent im Jahr 2004 deutlich ein und käme auf 42 Prozent. Für die bislang mit absoluter Mehrheit regierende CDU reichte es dann nicht einmal mehr für ein Bündnis mit der FDP. Die Liberalen könnten zudem bereits an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Die Grün-Alternative Liste (GAL) scheint nach der SPD (31 Prozent) dagegen drittstärkste Partei zu bleiben, laut Befragung mit 13 Prozent. Also wagte Von Beust die Flucht nach vorne. Zunächst unterrichtete er auf der Klausurtagung in Wiesbaden am Freitag den Bundesvorstand der CDU über seine schwarz-grünen Pläne, die prompt bekannt wurden. Es müsse doch erlaubt sein, "jenseits der bekannten Konstellationen Überlegungen anzustellen", bestätigte er schließlich öffentlich. Die Spitze der grünen Bundespartei wies die Kuschelei der Konservativen umgehend höhnisch als "Anzeichen von Nervosität" zurück. Auch der Hamburger Landesverband zeigte sich skeptisch, allerdings zu Gesprächen bereit und schloss eine Koalition - anders als mit der Partei Die Linke - nicht ausdrücklich aus. Viele Grüne sind nun verunsichert, vor allem im Fundi-Flügel. "Manche sagen, sie würden austreten", sagt Julia Seeliger, aus deren Sicht das umstrittene Bündnis den Grünen "schweren Schaden" zufügen würde. "Dann würden wir noch mehr als Öko-FDP wahrgenommen." Zwar gehöre Hamburg nicht zu den Landesverbänden wie "Baden-Württemberg oder Bayern, die eher die ersten mit einer schwarz-grünen Koalition sein wollen", sagte sie taz.de. Aber "eine Hassfigur für uns Grüne, das ist Von Beust nicht". Ein Wunschpartner ist er für sie freilich auch nicht. Dass Von Beust 2001 mit der Partei des Rechtspopulisten Ronald Schill koalierte, haben ihm die meisten Grünen bis heute nicht verziehen - und zögern nun, in die Fußstapfen des Scharfmachers zu treten. Hinzu kommen mindestens drei elementare inhaltliche Streitpunkte: der Bau des im November vom Senat genehmigten neuen Steinkohlekraftwerks Moorburg des Energiekonzerns Vattenfall, die von der GAL bekämpfte Vertiefung der Elbe für größere Containerschiffe sowie die Schulpolitik. Insbesondere die neunjährige Gemeinschaftsschule ("9 macht klug") ist eine Herzensangelegenheit der GAL-Spitzenkandidatin und Lehrerin Christa Goetsch. Die CDU will dagegen die Gymnasien erhalten. Wie misstrauisch die Basis der GAL angesichts dieser Differenzen ist, verdeutlicht die Befragung einer Hamburger Tageszeitung von sieben grünen Bezirksvorsitzenden: Drei von ihnen lehnten die Konstellation für den Senat vehement ab, einer hielt es für unwahrscheinlich, zwei äußerten sich nicht, einer gab sich unentschlossen. Dabei gilt Schwarz-Grün auf Länderebene als Test für eine mögliche spätere Bundesregierung und gerade ein überschaubarer, liberaler Stadtstaat wie Hamburg dafür als prädestiniert. Umgekehrt spielt auch die Bundespolitik in die Hamburger Koalitionsdebatte hinein. Besonders die Wahlkampfkampagne des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) gegen kriminelle Migranten, die Von Beust am Mittwoch ausdrücklich verteidigte, belebt bei vielen Grünen alte Feindbilder. Sie sei „wirklich unerträglich" und zeige, „dass die Gräben zwischen uns sehr tief sind", sagte der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele zu taz.de. Er wolle sich nicht in Ländersachen einmischen, habe aber eine "grundsätzliche Abneigung gegenüber Koalitionen mit der CDU". Die Grüne Jugend pflichtet bei: "Die Diskussion der letzten Wochen über Jugendkriminalität hat wieder einmal deutlich gemacht: Mit der CDU wollen wir nicht regieren", sagte Sprecherin Paula Riester zu taz.de. "Dann schon lieber Opposition." Von zahlreichen Drohungen mit Parteiaustritten in Hamburger Bezirksverbänden berichtet auch Robert Zion vom Gelsenkirchener Kreisvorstand. "An der Basis gäbe es natürlich starke Irritationen", so seine Einschätzung im Gespräch mit taz.de. Seit er den Göttinger Afghanistan-Sonderparteitag mitinitiiert und der Parteiführung dort eine schwere Abstimmungsniederlage zugefügt hat, gilt Zion als Sprachrohr der Grünen-Basis. Nun kämpft er dafür, dass die Partei den eingeschlagenen Linksruck fortführt: "Schwarz-Grün wäre gegenläufig zu unseren jüngsten Parteitagen. Da haben wir uns wieder klar in der Sozial- und Friedenspolitik profiliert." Viele Grüne befürchten, schon Gerede über eine mögliche Kooperation mit der CDU in Hamburg könnte Wähler in Richtung der Partei Die Linke verschrecken. Manche vermuten, Von Beust wolle mit seinem Vorstoß, der sieben Wochen vor der Wahl ungewöhnlich früh kam, genau das erreichen: die Partei Die Linke stärken, Rot-Grün verhindern und die Grünen in eine Koalition mit ihm drängen. Zion kann der Diskussion allerdings auch strategische Vorteile abgewinnen. "Die Debatte ist gut, um die SPD unter Druck zu setzen. Denn sie ist in Koalitionen uns gegenüber immer wieder sehr selbstherrlich aufgetreten." Selbst Sondierungsgespräche sollten die Hamburger Grünen seiner Ansicht nach gegebenenfalls ruhig mit der CDU führen. "Aber es wird eh nichts." Pragmatischer argumentiert der schleswig-holsteinische Grünen-Chef Robert Habeck: "Wenn sich die CDU bewegt, sollten die Grünen nicht ideologisch verbohrt sein", fordert er vom Hamburger Landesverband. "Ich habe keine größere Liebe zur SPD als zur CDU und würde es knallhart an Projekten bemessen", also der Gemeinschaftsschule und dem Verzicht auf den Bau des Kohlekraftwerks, sagte er taz.de "Zu beidem muss die CDU ja sagen. Falls es passiert, bin ich gelassen." Parteienforscher Peter Lösche sieht die Zeit für die erste schwarz-grüne Landesregierung ohnehin gekommen: "Ich halte es durchaus für realistisch", sagte er taz.de. Möglich sei die Koalition, weil die Basis beider Parteien in der Großstadt Hamburg "etwas aufgeklärter ist als in anderen Bundesländern". Beide Parteien hätten ein ureigenstes machtpolitisches Interesse an dem Bündnis: "Die Grünen würden sich aus ihrer babylonischen Gefangenschaft der SPD befreien und die CDU aus der der FDP." Trotz solcher theoretischer Überlegungen werde es in der Hansestadt nicht zu der Koalition kommen, beharrt Grünen-Fundi Ströbele: "Nach allem, was ich aus Hamburg höre, weiß ich, dass Schwarz-Grün dort nicht ernsthaft in Erwägung gezogen wird." Traurig wäre die Hamburger Bevölkerung darüber offenbar ohnehin nicht: Laut einer Umfrage wollen nur sieben Prozent von ihnen von einem christdemokratisch-grünen Senat regiert werden.

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