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Möglicher Luftangriff in AfghanistanExplosionen in Kabul

Islamabad soll mit Drohnenangriffen in der Nacht zu Freitag versucht haben, die Führungsspitze der pakistanischen Taliban-Bewegung auszuschalten.

Taliban-Außenminister Amir Chan Mutaki zu Besuch bei Pakistans regionalem Rivalen in Delhi, Indien, 10.Oktober Foto: Anushree Fadnavis/reuters

Berlin taz | Nach Explosionen in der Nacht zu Freitag berichteten pakistanische Medien über einen „Präzisionsangriff“ mit Drohnen auf die Führungsspitze der pakistanischen Taliban-Bewegung TTP in Afghanistans Hauptstadt Kabul. Dabei sollen TTP-Chef Nur Wali Mehsud, sein „potenzieller Nachfolger“ Kari Saifullah Mehsud sowie ein weiteres Führungsmitglied getötet worden sein. Quellen für diese Informationen wurden nicht genannt.

Der afghanische Sender Tolo TV meldete am Freitag allerdings, er habe eine Audiobotschaft erhalten, die Nur Wali Mehsud zugeschrieben wird. Darin bestreite er, angegriffen worden zu sein.

Bei einer Pressekonferenz des dortigen Militärs am Freitag ging der Sprecher nicht direkt auf den Angriff ein. Er erklärte lediglich erneut, afghanisches Territorium werde für Angriffe auf Pakistan genutzt und bestätigte auch Mehsuds Tod nicht. Das Taliban-Verteidigungsministerium beschuldigte Pakistan am Freitag, afghanischen Luftraum verletzt zu haben.

Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed bestätigte „eine Explosion“ in Kabul, ohne weitere Details zu nennen. Tolo zufolge habe der Angriff einem SUV gegolten, der in Kabuls Stadtzentrum unterwegs gewesen sei. Danach sei dort eine wichtige Straßenkreuzung gesperrt worden. Sicherheitskräfte hätten Autos durchsucht. Ein anderes afghanisches Exilmedium sprach von einem Angriff auf ein kleines Hotel, in dem Mehsud angeblich gewohnt habe.

Regionaler Rivale

Die Ereignisse spielten sich während eines Besuches von Taliban-Außenminister Amir Chan Mutaki bei Pakistans regionalem Rivalen Indien ab. Dabei gab Delhi bekannt, es werde seine bisherige „technische Vertretung“ in Kabul zu einer Botschaft hochstufen. Damit nähert sich auch Indien einer Anerkennung des Taliban-Regimes.

Sollte sich Pakistans Urheberschaft bestätigen, wäre dies sein erster Luftangriff auf die afghanische Hauptstadt und zu vergleichen mit dem US-Angriff, bei dem im Juli 2022 al-Kaida-Chef Ayman al-Zawahiri in Kabul getötet wurde. Die Taliban beschuldigten auch die USA immer wieder, Drohnen über Afghanistan fliegen zu lassen.

Wenige Stunden vor dem Luftschlag in Kabul griffen pakistanische Kampfjets lokalen Berichten zufolge Ziele im Distrikt Barmal in der afghanischen Südost-Provinz Paktika an und trafen dabei Wohnhäuser und einen Basar. Berichte über Opfer liegen bisher nicht vor. Pakistan hatte bereits im Januar angebliche TTP-Stellungen in Barmal angegriffen.

Die TTP ist Pakistans stärkste militante Bewegung. Sie verstärkte im laufenden Jahr erneut ihre Angriffe. Die Anzahl von 600 von 2024 ist laut unabhängigen Beobachtern bereits erreicht. Allein in den vergangenen vier Wochen wurden etwa 30 pakistanische Soldaten getötet, die letzten elf in der Nacht zum Freitag im Bezirk Khyber nahe der afghanischen Grenze. Von den Taliban verlangte Pakistans Regierung mehrfach vergeblich die Auslieferung der TTP-Führer. Diese behaupten, nur Flüchtlinge zu beherbergen und keine militanten Aktionen zu unterstützen.

Aufenthalt bis Jahresende

Pakistans Verteidigungsminister Khwaja Muhammad Asif erklärte jüngst im Parlament, Islamabads Geduld mit „Terroristen und ihren Unterstützern“ sei erschöpft. Der Dialog mit den Taliban habe die Gewalt nicht verringert.

Am späten Donnerstag postete er in sozialen Medien, alle afghanischen Flüchtlinge müssten das Land verlassen. Man könne die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Kosten ihrer Aufnahme nicht länger tragen.

Das könnte auch die Situation jener etwa 2000 Af­gha­n*in­nen weiter verschärfen, die in Pakistan auf die Überprüfung ihrer Aufnahmezusagen durch die dortige deutsche Botschaft warten und für die Pakistan nach Angaben der Bundesregierung eine Aufenthaltsfrist bis Jahresende gewährt hatte.

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