Mord an Aktivistin in Russland: Messerstiche in den Rücken

In Sankt Petersburg wird Jelena Grigorjewa tot aufgefunden. Sie hatte sich für LGBTIQ-Rechte eingesetzt und Morddrohungen erhalten.

bei der Pride Parade in Sankt Petersburg schwenken Menschen Fahnen in Regenbogen-Farben.

So fröhlich wie bei der Pride Parade in St. Petersburg im Mai geht es nicht immer zu Foto: dpa

MOSKAU taz | In Sankt Petersburg ist am Wochenende in unmittelbarer Nähe einer Wohnsiedlung die Leiche einer Frau entdeckt worden. Es soll sich dabei um die LGBTIQ*-Aktivistin Jelena Grigorjewa handeln. Sie war mit mehreren Messerstichen in den Rücken ermordet worden. Die Ermittler sprachen auch von Wunden und Stichverletzungen im Gesichtsbereich sowie deutlichen Würgespuren. Ursprünglich war die Polizei von einem Alltagskonflikt ausgegangen. Diese Version lässt sich nach ersten Ermittlungen jedoch nicht mehr aufrechterhalten.

Angeblich sei die Oppositionelle kurz zuvor noch im Kreise von vier Männern und einer Freundin gesehen worden. Sie hätten auf einer Bank vor den Häusern gesessen und Alkohol zu sich genommen, sagten Zeugen. Auch die Flasche des vermeintlichen Getränks sei in der Nähe der Mordstelle gefunden worden. Angeblich sei zunächst auch ein Verdächtiger aus der Republik Baschkortostan festgenommen worden.

Russlands Sicherheitskräfte bemühen sich grundsätzlich, Verdachtsmomente eines politischen oder rassistischen Motivs auszuschließen oder gar zu verschleiern.

Die 41-jährige Grigorjewa war außer in der LGBTIQ*-Bewegung auch in anderen Bereichen aktiv. Zuletzt nahm sie an Protestveranstaltungen gegen Manipulationen bei den Regionalwahlen in Petersburg teil, unterstützte die wegen Vatermordes in Moskau angeklagten drei jungen Frauen aus der Familie Chatschaturjan durch Mahnwachen und setzte sich für die Interessen von Fernfahrern ein. Sie demonstrierte gegen die Annexion der Krim und setzte sich für die Rechte von politischen Gefangenen ein.

Ermittlungskomitee lehnte Beistand ab

In letzter Zeit sei sie häufiger tätlich angegriffen worden, schrieb Dinar Idrisow, ein Mitstreiter der Bewegung, auf Facebook. Auch Morddrohungen seien häufiger geworden.

Jelena Grigorjewa und ihre Anwältin hatten sich im Vorfeld mehrfach um Hilfe bei der Polizei bemüht. Reaktionen blieben aber aus. Auch das Ermittlungskomitee lehnte schon vor einem Jahr Beistand ab.

Bevor sich die Aktivistin liberalen und demokratischen Kräften der Opposition in Petersburg anschloss, soll sie dem nationalistischen Spektrum angehört haben. Grigorjewa stammt ursprünglich aus Nischnij Nowgorod. Ob es zwischen dem Mord und der früheren politischen Szene einen Zusammenhang gibt, ist bislang noch ungeklärt.

Mehrfach hatten ihre Anwältin und sie sich um Hilfe bei der Polizei bemüht – ohne Erfolg

LGBTIQ*-Aktivisten wollen nicht ausschließen, dass der Mord politische Motive haben könnte. Erst vor Kurzem war Grigorjewa in einer Liste potenzieller Opfer aufgetaucht. Das sogenannte Projekt „Sägen gegen LGBT“ kündigte auf der Website Anfang Juli die „Eröffnung einer neuen Saison“ an. „Wir haben schon gefährliche und brutale Geschenklein vorbereitet, die wir auch bald verschenken wollen…“ Das LGBTIQ*-Zentrum in Jekaterinburg, der Leiter des russischen LGBTIQ*-Programms, Igor Kotschetkow, und Jelena Grigorjewa waren erste Adressaten des Schreibens.

„Schwulenjäger“ im Internet gesucht

In Jekaterinburg war überdies letzte Woche eine Mail mit dem Absender „Sägen gegen LGBT“ eingegangen. Unbekannte forderten die Jekaterinburger auf, bis zum 1. August ihr Geld an den Fonds „Schenke Leben“ zu überweisen. Sollten sie dem nicht Folge leisten, würden sie einen Sprengsatz mit einem mobilen Essensdienst erhalten, hieß es in der Drohung.

Seit Anfang Januar werden im Internet auch „Schwulenjäger“ gesucht. Angeblich beteiligen sich daran zwölf Regionen Russlands. 2017 war Tschetschenien in die Schlagzeilen gelangt, weil dort Homosexuelle gezielt verfolgt und hingerichtet wurden.

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