Mord an palästinensischem Jungen: „Wir werden Pulverfässer entzünden“

Der mutmaßliche Täter strebt in seinen Hetzschriften den Sturz der Regierung an. Nur wenige extremistische Gewaltaktionen werden aufgeklärt.

Meir Ettinger im Gericht in Nazareth

Meir Ettinger im Gericht in Nazareth. Foto: ap

JERUSALEM taz | Die israelische Polizei und der inländische Geheimdienst Schin Beth sind offenbar den Mördern von Ali Dawabscheh auf der Spur. Seit Montagabend sitzt der 23-Jährige Meir Ettinger in Untersuchungshaft. Der Enkel des rechtsradikalen Rabbiners Meir Kahane, dessen rassistische Kach-Partei 1988 verboten wurde, steht im Verdacht, als Kopf einer jüdischen Terrorzelle die Fäden für eine ganze Serie von Anschlägen gegen Palästinenser sowie christliche und muslimische Einrichtungen gezogen zu haben.

Der Brandanschlag auf das Kloster der Brotvermehrungskirche in Tabgha, bei dem Mitte Juni schwerer Sachschaden entstand und zwei Menschen Rauchvergiftungen davontrugen, gehört offenbar dazu. In Duma war der gerade 18 Monate alte Ali Dawabscheh am Freitagmorgen lebendig verbrannt, nachdem jüdische Fanatiker Molotowcocktails in das Haus der palästinensischen Familie warfen.

Ettinger plante offenbar den Sturz der Regierung. „Wir müssen außerhalb der Regeln der Institution agieren, die wir zu Fall bringen wollen“, heißt es in einer seiner Hetzschriften mit dem Titel „Der Aufstand“. Mit den Brandanschlägen sollte Gegengewalt der Palästinenser provoziert werden, die zum Chaos und schließlich zum Rücktritt der Regierung führen würde. Anstelle des Rechtsstaates sollte dann ein System treten, das sich an der Halacha orientiert, dem jüdischen Recht.

„Die Idee des Aufstands ist sehr einfach“, schrieb Ettinger und kündigte an: „Wir werden die Pulverfässer entzünden“, das Land solle „unregierbar“ gemacht machen. Viel mehr Juden, als man im Allgemeinen denken würde, verfolgten ein „Wertesystem, das völlig anders ist als das des Obersten Gerichtshofs“, schrieb Ettinger auf der Internetseite „Die jüdische Stimme“. Die Vorstellung des Schin Beth, es gebe eine Terrororganisation, streitet er ab. Hinter den Aktionen stünden ganz normale „Leute vor Ort, die fühlen, dass sie etwas unternehmen müssen“.

Ob Ettinger selbst bei der Brandstiftung in Duma beteiligt war, blieb zunächst unklar. Klare Beweise anhand einer DNA-Probe hat die Polizei vorläufig nur gegen Mosche Orbach in der Hand, der sich in Kürze wegen der Brandstiftung in Tabgha vor Gericht verantworten muss. Auch Orbach ist Anfang 20 und Autor von Hetzschriften. In seinem „Königreich des Bösen“ beschreibt er die ideologischen Grundlagen für die Angriffe gegen Araber. „Manchmal stinkt es uns, nur Sachschaden anzurichten“, heißt es an einer Stelle.

Wohnmobile auf Hügeln

Bei beiden Brandanschlägen kamen die Täter in den frühen Morgenstunden, verletzten Menschen und hinterließen Schriften an den Wänden, wie „Rache“ und: „Es lebe der König, der Messias“. Solche Wandschriften sind typisch für die radikale Siedlergruppe „Preisschild“. Der Schin Beth geht von „einigen Dutzend Aktivisten“ aus, die zumeist aus „illegalen Siedlervorposten“ im Westjordanland kommen.

Ziel der Leute, die auch unter dem Begriff „Hügeljugend“ gehandelt werden, weil sie sich mit ihren Wohnmobilen bevorzugt auf Hügeln niederlassen, ist, mit ihren Aktionen die Regierung und Armee davon abzubringen, ihre illegal errichteten Unterkünfte wieder abzureißen. Der Brandanschlag in Duma folgte nur wenige Tage auf den Abriss zweier Häuser in der Siedlung Beit El, die illegal auf dem privaten Grundstück palästinensischer Eigentümer errichtet worden waren. Letzthin werden die jüdischen Terroristen in ihrer Methode und ihrer Zielsetzung radikaler.

Schon Ende letzten Jahren beantragte der Geheimdienst, Meir Ettinger in sofortige Administrativhaft zu nehmen, eine bislang nur bei Palästinensern, die als Sicherheitsrisiko gelten, angewandte Maßnahme. Am Sonntag entschied das Kabinett in Jerusalem, präventive Verhaftungen auch gegen potenzielle jüdische Terroristen vorzunehmen.

Nur ein Bruchteil der jüdischen Terroraktionen ist aufgeklärt. Angeblich mangelt es an Beweisen, die vor Gericht Bestand hätten. Schon 2007 nahm die israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem das Projekt „Shooting back“ auf. Um die Übergriffe zu dokumentieren und die Filme vor Gericht als Beweismaterial zu verwenden, verteilte B’Tselem Hunderte Kameras an palästinensische Zivilisten. Zu einer systematischen Verfolgung der jüdischen Extremisten kam es dennoch bis heute nicht.

Die Attentäter kommen aus einer Umgebung mit engen sozialen Verflechtungen. In den „illegalen Vorposten“ leben oft nicht mehr als ein, zwei Dutzend Siedler. Jeder kennt jeden, jeder weiß, was der andere tut. Deshalb liegt die Vermutung nah, dass es zahlreiche Mitwisser gibt, die aus Solidarität mit den Nachbarn und ideologischen Verbündeten eine Kooperation mit dem Sicherheitsapparat ablehnen. „Der Schin Beth erzählt uns Märchen“, kommentierte Amir Oren in der Zeitung Ha’aretz am Dienstag. „Er weiß, wo sie sind, wie viele es sind und manchmal auch, wer sie sind.“

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