Mord an russischem Oppositionellen: Trauerkundgebung in Moskau

Nach der Ermordung Boris Nemzows zeigt das russische Fernsehen ein Überwachungsvideo vom Tatort. Zu einer Kundgebung werden heute 50.000 Menschen erwartet.

Ermittler am Tatort nahe des Roten Platzes. Bild: dpa

MOSKAU dpa/ap | Nach dem Mord an dem russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat der Moskauer Fernsehsender TWZ ein Überwachungsvideo vom Ort und von der Zeit der Tat veröffentlicht. In der Aufnahme ist nach Darstellung des Senders zu sehen, wie sich Nemzow mit seiner Begleiterin am Freitag gegen 23.30 Uhr auf der Großen Moskwa-Brücke in Kreml-Nähe bewegt und von einem Mann verfolgt wird. Eine Kehrmaschine verdeckt dann die Sicht auf das Paar und den Mann.

Wenig später ist zu sehen, wie der mutmaßliche Täter auf die Straße läuft und in ein Auto einsteigt und flüchtet. Etwa zehn Minuten danach trifft die Polizei ein. Der frühere Vize-Regierungschef wurde nach Angaben von Ermittlern mit vier tödlichen Schüssen in den Rücken getroffen. Die Begleiterin des 55-Jährigen bleib unverletzt.

Bis zu 50.000 Menschen wollen am Sonntag Mittag im Zentrum von Moskau an einer Trauerkundgebung für den ermordeten Kremlgegner teilnehmen. Darauf hatten sich Oppositionsvertreter am Samstag bei Verhandlungen mit der Stadt geeinigt.

Die Initiative ging nach Angaben der Behörden von dem Oppositionsführer und früheren Regierungschef Michail Kasjanow aus. Auf einen ursprünglich für Sonntag geplanten Marsch gegen die Politik von Kremlchef Wladimir Putin verzichtete die Opposition.

Wahrscheinlich Auftragsmord

Nemzow war am späten Freitagabend nur wenige Meter vom Kreml entfernt auf offener Straße hinterrücks erschossen worden. Vom Täter fehlt seitdem jede Spur. Sowohl die Polizei als auch der Kreml gingen von einem Auftragsmord aus. Nach Fernsehberichten fanden die Ermittler möglicherweise das Fluchtauto. Der TV-Sender Rossija 24 zeigte das weiße Fahrzeug mit einem Nummernschild der Teilrepublik Inguschetien, die im islamisch geprägten Konfliktgebiet Nordkaukasus liegt.

Wenige Stunden vor dem Attentat hatte Nemzow Putin in einem Radiointerview erneut eine „unsinnige Aggression gegen die Ukraine“ vorgeworfen und den Rücktritt des Präsidenten gefordert. Der 55-Jährige soll überdies an einem Bericht über eine russische Beteiligung am Ukraine-Konflikt gearbeitet haben.

Die Ermittler sehen an dieser Kritik ein mögliches Tatmotiv. Aus Polizeikreisen verlautete, eine Spur führe ins rechtsextreme Milieu. Auch einen islamistischen Tathintergrund schließen die Ermittler nicht aus, da Nemzow nach seiner Verurteilung der Anschläge von Paris Drohungen erhalten habe.

Asylersuchen in Litauen?

Nach Angaben des früheren litauischen Ministerpräsidenten Andrius Kubilius hatte Nemzow im Jahr 2012 erwogen, Asyl in dem Baltenstaat zu beantragen. Der Oppositionelle habe damals damit gerechnet, nach den Massenprotesten gegen eine dritte Amtszeit von Präsident Wladimir Putin festgenommen und inhaftiert zu werden.

Die Tat löste weltweites Entsetzen aus. Russlands Präsident Putin verurteilte den „brutalen Mord“ ebenso wie US-Präsident Barack Obama. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich bestürzt. Sie forderte Putin auf, „zu gewährleisten, dass der Mord aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden“, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, Nemzows Tod mache ihn „traurig und wütend“.

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Tat auf das Schärfste und forderte eine rasche Aufklärung. Er drückte „Herrn Nemzows Familie, Freunden und Unterstützern“ sein tiefstes Beileid aus. Bans Erklärung war in weiten Teilen Standard, wie stets nach politischen Morden. Die Erwähnung der „Unterstützer“ des Putin-Kritikers ist aber nach Ansicht von Beobachtern ungewöhnlich.

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