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Morddrohungen nach Kritik an Apollo NewsEine orchestrierte Kampagne

Eine Mitarbeiterin der Amadeu Antonio Stiftung bekommt Morddrohungen. Zuvor hatte sie das rechte Portal Apollo News kritisiert.

Lässt sich nicht vom rechten Publizisten Jan Fleischhauer einschüchtern: Die Linke Foto: Amrei Schulz/imago
Matthias Meisner

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Matthias Meisner aus Berlin

taz | Die Amadeu Antonio Stiftung sieht sich in einer neuen Dimension einer Kampagne rechter Parallelmedien ausgesetzt. Im Mittelpunkt der Angriffe steht die Autorin Kira Ayyadi, eine Mitarbeiterin der Stiftung. Sie saß Ende September auf einem Podium der Linkspartei in Treptow-Köpenick, sprach dort über rechten Medienaktivismus und ging auch auf das Portal Apollo News ein, in der Fachwelt beschrieben als „rechtskonservativ“, „rechtes Boulevardmedium“ oder auch als Portal, das Desinformationen und extrem rechte Narrative verbreite.

Apollo News unterstellte Ayyadi und der Stiftung nach ihrem Auftritt wahrheitswidrig Aufrufe zur Gewalt – und forderte einen Förderstopp der gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und für die Stärkung der Demokratie engagierten Stiftung. Das Portal postete auf X: „Eine Mitarbeiterin der Amadeu-Antonio-Stiftung berät Linksradikale, wie sie unbequeme Journalisten aus ihrem Kiez vertreiben können.“ Apollo News bezog sich dabei auch auf den Flyer zur Veranstaltung, der den Titel trug: „Rechten Medien auf die Tasten treten“.

Apollo News löste eine Welle der Empörung aus, sogar Morddrohungen inklusive. Der thüringische AfD-Chef Björn Höcke schrieb auf Telegram, die Amadeu Antonio Stiftung betreibe „Hass und Hetze“, ermuntere zu Sachbeschädigung oder sogar Anschlägen und beteilige sich „an Kampagnen gegen die Pressefreiheit“.

In einer Mail an die Stiftung hieß es, es seien dort „richtige Faschisten, nämlich rotlackierte“ am Werk, „dummes Stasi- und Mauermörderpack“. Eine Gruppe namens „Patriot News“ behauptete: „Regime-Organisation bestätigt offiziell Pläne zur Vernichtung von Apollo-News.“

Rechte Einschüchterungsversuche

Der rechte Publizist Jan Fleischhauer schrieb auf X unter Hinweis auf den Auftritt von Ayyadi, die Linkspartei sei „eine im Kern totalitäre Truppe, die, wenn sie könnte, jeden aus dem Verkehr ziehen würde, der ihr nicht passt“. In den Chor stimmte auch das Krawall-Portal Nius ein, das nach dem Ayyadi-Auftritt ebenfalls die Linkspartei anging. Sie wolle mit „bewusst eskalativen Formulierungen in Serie […] direkte körperliche Gewalt provozieren oder mindestens eine Redaktion in diesem Sinne einschüchtern und zum Schweigen bringen“.

Eingeschüchtert werden sollen in Wahrheit eher Kira Ayyadi, die Amadeu Antonio Stiftung und die Linkspartei. Der taz liegen Screenshots von zahlreichen Postings auf X und anderen Portalen vor, die Gewaltdrohungen gegen Kira Ayyadi und andere Mit­ar­bei­te­r:in­nen der Stiftung belegen: „Das Pack einsammeln, in einen Sack und immer mit dem Knüppel drauf“, heißt es da beispielsweise. „Gleich ins,Sammellager'“, forderte ein X-User. Ein anderer warf die Frage auf, warum die Stiftung vom Staat finanziert werde. Und gab zur Antwort: „Weil ihre Direktoren alle Juden sind und solche jüdischen Stiftungen die deutsche Bevölkerung wie Milchkühe ausbeuten.“

Stiftungsgeschäftsführer Timo Reinfrank sprach von einer „orchestrierten Kampagne“. Er sagte der taz, Apollo News folge der „bekannten Strategie rechtsalternativer Medien: Fakten verzerren, Empörung schüren, demokratische Stimmen zum Schweigen bringen“. Wenn eine Journalistin Morddrohungen erhalte, nur weil sie über rechtsalternative Medien aufkläre, wenn es rassistische Beleidigungen und antisemitische Zuschriften gebe, „wird deutlich, wie eng diese Strukturen mit rechtsextremen und gewaltbereiten Milieus verflochten sind“.

Der Vorgang hat noch eine andere – gleichfalls bedrohliche – Facette. Dabei drängen sich deutliche Parallelen zur Kampagne gegen die letztlich gescheiterte SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, auf, bei der ebenfalls Parallelmedien eine zentrale Rolle spielten. Auf ihrem Portal Belltower News erklärt die Stiftung mit Blick auf Kira Ayyadi: „Die Kampagne zeigt Wirkung: Bei der Stiftung gehen kurz nach der Berichterstattung in rechts-alternativen Medien erste Presseanfragen seriöser Medien ein. Der Sprung vom rechts-alternativen Nischenaktivismus in die klassische Medienlandschaft ist vollzogen.“

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