Mügeln nach den Übergriffen: War da was?

Beim Markt in Mügeln fehlen nach der Hetzjagd indische Händler. Jugendliche berichten indes, Neonazis wollten am Samstag einen linken Club angreifen.

Abbau des Festzeltes auf dem Marktplatz von Mügeln Bild: dpa

Die Stimmung auf dem Marktplatz von Mügeln ist gereizt. Journalisten begegnet man mit Abwehr und Schweigen. Sogar der türkische Pächter des Kebabhauses, der am Montag noch von einer "großen Familie" in Mügeln gesprochen hatte, ist empört: "Sie machen hier die Unruhe, das ist alles Ihre Schuld!" Auch Herr Inder Singh, der Inhaber der angegriffenen Pizzeria, schweigt lieber und will endlich seine Ruhe haben. Dann lässt er aber doch durchblicken, wie schockiert er über jene Verwandlung ist, die in der Nacht zum Sonntag auch mit einigen seiner Kunden vorgegangen sein muss, als sie seine indischen Landsleute bis in seinen Laden hinein verfolgten. Dass sich eine Stadt gegen die pauschale Verurteilung als fremdenfeindlich wehrt, mag verständlich sein. Aber ebenso könnte man erwarten, dass sich die Mügelner selbst fragen, wie es dazu kommen konnte, dass sich auf einem Volksfest ein solcher gewalttätiger Mob zusammenbraute. Doch solche Fragen scheinen sich in Mügeln nur die wenigsten zu stellen.

Stattdessen begegnet man auch fünf Tage nach der Hetzjagd jener latent rassistischen Gesinnung, ohne die eine Rempelei auf einem Volksfest wohl kaum zu einem solchen Gewaltausbruch hätte führen können. Auf dem donnerstäglichen Markt vermissen einige die indischen Händler, mit denen man doch bisher gut ausgekommen sei. Doch viele sehen das anders. "Der Markt läuft auch so", ist noch die mildeste Äußerung. "Das macht nichts, weil ich die Kerle sowieso nicht angucke und bei denen nichts kaufe", sagt ein älterer Herr. Nur bei den Vietnamesen würde er gelegentlich kaufen, weil die freundlicher seien "und noch von Erich ins Land geholt wurden".

Auch der Bürgermeister Gotthard Deuse zeigt sich unbeeindruckt von der Kritik der Medien und vieler Politiker und verweist lieber auf die Fotoidylle eines heilen Mügelns: "Ausländerfeindliche Gesinnungen gibt es überall. Ein Zufall hat die Dinge hochgespült", sagt und bestätigt damit unfreiwillig das Vorhandensein von Ressentiments.

Von konkreten Drohungen, die es vor dem Stadtfest gab, weiß er nichts oder will nichts davon wissen. Dabei häufen sich die Indizien, dass bekannte rechtsextreme Jugendliche maßgeblich zur Eskalation der Gewalt beigetragen haben.

Alexander Striegler, der stellvertretende Leiter des Jugendtreffs "Free Time Inn", erzählt, dass Neonazis am 17. August den Club angreifen wollten - an diesem Abend war nämlich nicht nur das Volksfest in Mügeln, sondern auch der Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. Von diesen Angriffabsichten habe ein Informant berichtet, der in rechtsgerichteten Kreisen verkehre. In einer rechtsextremen Newsgruppe soll sogar ein entsprechendes Rundschreiben gepostet worden sein. Striegler informierte daraufhin den Bürgermeister und den "Stadtsheriff" Andreas Reinhardt im kleinen Polizeiposten gleich gegenüber vom Club. Dieser riet dazu, den Klub an diesem Wochenende zu schließen. "Macht lieber zu, hier kommt auf jeden Fall was", soll er gesagt haben. Tatsächlich blieb der Club geschlossen. Fragt man allerdings den Bürgermeister dazu, geschah dies nur, "damit Jung und Alt gemeinsam im Festzelt feiern" konnten.

Auf jeden Fall kann sich Striegler denken, um wen es sich bei den möglichen Angreifern handeln könnte. Die "Stadtfaschos" nennt er sie. Einige von ihnen seien ehemalige Gäste des Jugendclubs aus der Zeit vor dem Jahr 2000, als das "Free Time Inn" noch in rechter Hand war. Sie erschienen wegen des billigen Bieres nach wie vor und zetteln oft Diskussionen an, die leicht in Tätlichkeiten ausarten. Auch die Stadtfeste hätten die "Stadtfaschos" schon immer besucht, nur seien in der Vergangenheit auch immer linke Gäste präsent gewesen. Diese "Gegenkräfte" hätten diesmal gefehlt, weil viele linke Jugendliche wegen des geschlossenen Klubs nicht zum Stadtfest kamen.

Die Annahme, dass Rechtsextremisten ihren Frust über das verriegelte Angriffsziel an den Indern abreagierten, wird auch von den betroffenen Indern gestützt. Sie gingen gestern vor die Presse. "Das war keine Bierzeltschlägerei", sagten sie. Nach dem Konflikt auf der Tanzfläche hätten sie sich zum Gehen entschlossen, seien aber vor dem Zelt von einer gewaltbereiten Gruppe empfangen worden. Fest steht auch, dass jene Angreifer, die später durch die Hintertür in die Pizzeria einzudringen versuchten, über gute Ortskenntnis verfügt haben müssen.

Im Klub beobachtet man mit Sorge einen allmählichen Rechtstrend durch alle Altersgruppen. Dass sich rechtsextreme Gruppen bei Dorffesten als deutsche Ordnungskraft aufspielen, müsste Bürgermeister Deuse aus seinem eigenen Heimatdorf Schweta bekannt sein. Im "Halli Galli", einem Gasthof im nur vier Kilometer entfernten Kleinpelsen, konzertierten unter großem Zulauf Szenebands wie "Landser" oder "Störkraft".

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