Münchener Kunstfund: Gurlitt-Task-Force eingerichtet

Sind die in der Wohnung des Kusthändlers Gurlitt beschlagnahmten Bilder NS-Raubkunst? Juristen und Kunstexperten arbeiten an einer Klassifizierung.

Aus dem Münchener Kunstfund: Bernhard Kretschmars „Straßenbahn“ Bild: dpa

MÜNCHEN dpa | International sorgte der Umgang der deutschen Behörden mit dem Münchner Kunstfund für Befremden – nun soll nach dem Willen der Bundesregierung rasch geklärt werden, welche Werke als NS-Raubkunst zu werten sind. Man sei sich absolut bewusst, dass der Fall große Aufmerksamkeit erregt habe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. „Wir bemühen uns, dieser Verantwortung gerecht zu werden.“ Klarheit soll insbesondere die „Lost-Art-Datenbank“ bringen, auf der mögliche NS-Raubkunstwerke veröffentlicht werden.

Die Herkunft der Werke überprüft eine Taskforce unter Ingeborg Berggreen-Merkel. Die Mitglieder sollen aber nicht öffentlich genannt werden. Die wissenschaftliche Leitung übernehme die von Bund und Ländern eingerichtete „Arbeitsstelle für Provenienzrecherche“, also der Berliner Provenienzforscher Uwe Hartmann, bestätigte ein Sprecher von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) einen Bericht von Spiegel Online.

Zehn Fachleute sollen die Herkunft der Werke beleuchten. Forscher aus dem In- und Ausland sollen mitwirken, ebenso wie ein Staatsanwalt. Die Jewish Claims Conference, die sich für die Restitution geraubten jüdischen Eigentums einsetzt, wird mit zwei Experten in der Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ vertreten sein, wie Neumanns Sprecher sagte. Die Organisation hatte zuvor eine Beteiligung gefordert.

Noch in dieser Woche soll nach Angaben Seiberts damit begonnen werden, Bilder aus dem Fundus des Kunsthändlersohnes Cornelius Gurlitt einzustellen. Damit kommt die Bundesrepublik Forderungen nach mehr Öffentlichkeit nach. Gut eineinhalb Jahre lang hatten die Behörden, allen voran die Augsburger Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen und die spektakuläre Entdeckung aus dem Frühjahr 2012 geheim gehalten. International war das Vorgehen heftig kritisiert worden, vor allem im Interesse der von den Nazis enteigneten Eigentümer und ihren Erben.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zeigte am Montag deutlich seinen Ärger darüber, dass die zuständigen Minister über eineinhalb Jahre hinweg nicht von ihren Beamten informiert wurden. Dies freue ihn nicht, sagte Seehofer in München. „Ich bin jetzt zufrieden, wie's läuft – jetzt.“

Wichtiges muss die Spitze erreichen

Derzeit sehe Seehofer keinen Anlass, sich in den Fall einzuschalten. Er lobte insbesondere seinen Justizminister Winfried Bausback (CSU): „Ich habe den Eindruck, dass das unser Justizminister das gut im Blick hat.“ Bei der Kabinettssitzung forderte er die Ministerien auf, ihre internen Meldeketten zu überprüfen – mit der Maßgabe, dass politisch Wichtiges auch die politische Spitze erreichen muss.

Bausback bekräftigte unterdessen den Wunsch der Staatsregierung nach einem baldigen Kontakt zu Gurlitt. „Es ist wichtig, dass sobald als möglich ein Gespräch zustande kommt“, sagte Bausback. Wer dieses Gespräch führe, sei jedoch nicht so wichtig. „Es kommt nicht darauf an, wer mit Herrn Gurlitt redet, sondern dass mit ihm geredet wird.“

Gurlitt selbst will derzeit nicht ohne weiteres auf die in seiner Münchner Wohnung beschlagnahmten Bilder verzichten. „Freiwillig gebe ich nichts zurück“, hatte der 80-Jährige dem Nachrichtenmagazin Spiegel gesagt. Die gut 1.400 Kunstwerke habe sein Vater rechtmäßig erworben. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) setzt dennoch auf ein Einlenken des Sohnes des Nazi-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt. „Ich hoffe, das ist nicht sein letztes Wort“, sagte sie der Süddeutschen Zeitung (Montag).

Begründeter Raubkunst-Verdacht

In der „Lost Art Datenbank“ verweist eine eigene Rubrik auf den Schwabinger Kunstfund. Bislang wurden aber lediglich 25 Werke veröffentlicht, bei denen die Behörden „begründeten Verdacht auf NS-verfolgungsbedingten Entzug“ sehen. Weitere sollen folgen. Von gut 590 möglichen Raubkunst-Werken ist die Rede.

Bis zum frühen Montagabend waren zu den 25 Bildern keine hinzu gekommen. Welche Werke für eine Veröffentlichung in der Datenbank infrage kommen, erfährt die Koordinierungsstelle in Magdeburg von der Staatsanwaltschaft Augsburg, die seit Frühjahr 2012 gegen Gurlitt unter anderem wegen Steuerdelikten ermittelt. Wie sich das Ermittlungsverfahren gegen Gurlitt weiter gestaltet, blieb am Montag weiter unklar.

Derweil fodert die Erben des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim (1878-1937) ein Bundesgesetz zur Rückgabe von NS-Raubkunst. Die Weigerung von Cornelius Gurlitt, Bilder aus dem Münchner Kunstfund zurückzugeben, sei „eine schmerzhafte Nachricht für die noch lebenden Opfer des Nationalsozialismus und ihre Nachkommen“, teilten die Anwälte der Erben Flechtheims am Dienstag mit. Die Aussichten, Werke zurückzubekommen, seien „verschwindend gering“, da es für solche Fälle in Deutschland kein Gesetz gebe, das die Rückgabe von Raubkunst aus öffentlichem oder privatem Besitz regele.

Das deutsche Recht begünstige den Eigentümer problembehafteter Kulturgüter, nicht zuletzt wegen der Verjährung, kritisierten die Anwälte Mel Urbach und Markus Stötzel. Deutschland müsse die Restitution auf eine „verlässliche, transparente und justiziable Basis stellen“. Beispiel könnte Österreichs Rückgabegesetz für Kunst sein, die den Verfolgten des NS-Regimes zwischen 1933 und 1945 weggenommen wurden.

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