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Mumia Abu Jamal fordert VersorgungAcht Monate Dunkelheit

Der seit 1981 in den USA inhaftierte Journalist Abu Jamal klagt über massiven Sehverlust. Solidaritätsgruppen fordern seine sofortige Freilassung.

Der ehemalige Black Panther Mumia Abu Jamal ist seit 1981 wegen Mordes an einem Polizisten inhaftiert Foto: April Saul/imago

Ist das US-Justizministerium dafür verantwortlich, dass der seit 1981 inhaftierte afroamerikanische Journalist Mumia Abu Jamal zu erblinden droht? Diese Vorwürfe erhob der Gefangene kürzlich in einem Schreiben an seine Un­ter­stüt­ze­r*in­nen in aller Welt.

Dort machte er erstmals öffentlich, dass sich seine Sehkraft in den letzten Monaten massiv verschlechtert hat. „Ich bin praktisch unfähig zu lesen, unfähig zu schreiben, unfähig, mehr als den Titel einer Zeitung zu erkennen, nicht einmal die Schlagzeilen kann ich lesen, und die Farben des Fernsehbildes verschwimmen vor meinen Augen. Als „Fernsehen bleibt mir jetzt nur noch mein Radio“, so Abu Jamal über das Krankheitsbild.

Er habe bisher über seine Augenprobleme geschwiegen, weil er im Gefängnis keine Schwäche zeigen wollte und weil er gehofft hat, schnell medizinische Hilfe zu bekommen, schreibt der Gefangene. „Was ich bekam, war wortwörtlich Untersuchungsergebnis nach Untersuchungsergebnis nach Untersuchungsergebnis nach Untersuchungsergebnis“, beschreibt Mumia Abu Jamal den bisherigen Umgang der Gefängnisverwaltung mit seinen Leiden.

Er beendet das Schreiben mit einem Satz, der wie ein Hilferuf klingt. „Sieben Monate, acht Monate im Schatten und in der Dunkelheit sind acht Monate zu viel.“

Un­ter­stüt­ze­r*in­nen sind von Unschuld überzeugt

Dieses Schreiben hat bei den Un­ter­stüt­ze­r*in­nen in aller Welt große Besorgnis ausgelöst. Denn Solidaritätsgruppen in aller Welt setzen sich für das ehemalige Mitglied der Black Panther Party ein, der seit 1981 wegen Mordes an einem Polizisten inhaftiert ist. Sie sind davon überzeugt, dass Mumia unschuldig im Gefängnis sitzt.

Er hat die ihm vorgeworfene Tat immer bestritten. Dagegen steht vor allem die einflussreiche Polizeigewerkschaft der USA. Sie sieht in Mumia noch immer einen Copkiller und will verhindern, dass er aus gesundheitlichen Gründen doch noch freigelassen wird. Viele der Hardliner hätten sich gewünscht, dass Mumia Abu Jamal hingerichtet wird.

Auch hinter Gittern schreibt der Journalist weiterhin Kolumnen

Schließlich war er wegen Polizistenmords zum Tode verurteilt worden. 1995 erreichte eine weltweite Solidaritätsbewegung, dass die Todesstrafe in lebenslängliche Haft umgewandelt wurde. Durch die Kampagne wurde Mumia weltweit bekannt. Mumia Abu Jamal ist Ehrenmitglied zahlreicher journalistischer Organisationen in vielen Ländern, aber auch von Gewerkschaften wie Verdi-Berlin.

Hinter Gittern als Journalist

Seit vielen Jahren kämpfen solidarische Initiativen in aller Welt und auch in den USA für ein Wiederaufnahmeverfahren. Rechts­an­wäl­t*in­nen haben etliche Ungereimtheiten in dem ersten Prozess aufgedeckt. Doch die Chance eines neuen Verfahrens wurde durch Urteile von Gerichtsinstanzen immer wieder vereitelt.

Derweil arbeitete Mumia Abu Jamal auch hinter Gittern weiterhin als Journalist. Er verfasste Kolumnen, die in verschiedenen Zeitungen in aller Welt abgedruckt wurden. Dort beschäftigte er sich mit dem harten Gefängnisalltag und nahm zu geschichtlichen und aktuell-politischen Themen Stellung.

Schon vor seiner Verhaftung arbeitete Mumia Abu Jamal als Radiojournalist und galt in der Schwarzen Community von Philadelphia als Stimme der Unterdrückten.

Die schwindende Sehkraft ist für Mumia besonders dramatisch, weil er auch in seiner Zelle viel gelesen und geschrieben hat, was wegen der Augenkrankheit nicht mehr möglich ist.

Die Solidaritätsgruppen fordern nun umso dringlicher, dass Mumia Abu Jamal aus gesundheitlichen Gründen nach über 45 Jahren aus der Haft entlassen wird. Sie sind überzeugt davon, dass eine adäquate Behandlung seiner Krankheiten hinter Gefängnismauern nicht möglich ist. Doch im rechten Klima unter Donald Trump in den USA scheint die Freilassung kaum möglich zu sein.

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16 Kommentare

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  • Mit etwas Recherche lassen sich weitere Details herausfinden - es geht wohl um Komplikationen nach einer Kataraktoperation in 2019 sowie eine diabetische Retinopathie (angeblich durch das Verabreichen von falsch dosiertem Cortison verursacht), also ein Netzhautschaden. Eine Operation sollte im Juli stattfinden und wurde nun aus unklaren Gründen in den September verschoben.

  • Es ist einfach befremdlich, dass in dem Artikel nur der Täter und seine Unterstützer zu Wort kommen. Das es auch ein Mordopfer gab, wird in einem Nebensatz abgetan und im nächsten Absatz auch gleich bestritten. Mumia Abu Jamal ist "Journalist" aber kein Mörder?

    • @Zven:

      Ja, muss mich anschließen. Wenn die Tat so erfolgte, hält sich mein Mitleid in Grenzen.



      Gerne wäre eine Einordnung der taz sinnvoll, bitte ohne sich auf Zweifel zu konzentrieren, sondern das Gesamtbild (sorry, dass sie für den Inhaftierten nicht gut aus).

      Persönlich halte ich die 17-19 Hahre in Deutschland für Lebenslang zu kurz, aber bei über 40 Jahren muss aber auch mal Schluss sein …

      • @Andi S:

        Bei einer Verurteilung wegen Mordes (nicht Totschlag) können Sie in Deutschland frühestens nach 25 Jahren entlassen werden.



        Da häufig Sichherheitsverwahrung ausgesprochen ist, ist auch das ein frommer Wunsch.

      • @Andi S:

        Theoretisch wäre Mumia Abu Jamal vom Staat als oberstem Richter als Strafe getötet worden.

  • Unter dem rechten Klima von Trump ist also eine vorzeitige Entlassung fast unmöglich. Trump regiert aktuell seit 9 Monaten. Wieso hat denn Herr Biden nicht die Freilassung veranlasst.

    In der Regel werden Mörder die in den USA zur Todesstrafe verurteilt wurden nicht vorzeitig freigelassen. Auch nicht unter Biden oder Obama.

    • @Martin Sauer:

      Das Begnadigungsrecht in den USA üben die Bundesstaaten aus, wenn nicht der Verurteilung nach Bundesrecht erfolgt ist.



      Letzteres ist eher die Ausnahme.

  • Also sorry, das mag ja alles schlimm und dramatisch sein. Aber der KOMPLETTE Artikel besteht aus Hörensagen und „Vertrau mir, Bruder“. Wo sind denn die entsprechenden Quellen? Arztberichte? Auszüge aus Prozessakten, in denen mutmaßliche Prozessfehler aufgezeigt werden? Nochmal: Ich will auf keinen Fall bestreiten, dass dies nicht alles auch genau so stattgefunden haben kann, der Mann unschuldig ist und der Zugang zu adäquater, medizinischer Versorgung verwehrt wird. Aber wenn so etwas vom Journalisten suggeriert wird, dann hätte ich als Leser auch gerne ein paar objektive Fakten..

    • @MarsiFuckinMoto:

      Naja, warum sollte all das in dem Artikel stehen? Er ist seit 1981 inhaftiert und nicht seit gestern. Es gibt genug Berichte bereits dazu. Wenn ich ein Mathebuch aus der Grundschule lese, dann schreibe ich auch nicht dazu warum wurde 1+3 nicht hergeleitet. Das ist ein kurzer Artikel, der über die Erblindung informiert und nicht die komplette Geschichte samt Ermittlungen....

    • @MarsiFuckinMoto:

      Mir ging es beim Lesen recht ähnlich.



      Nun bin ich zunächst mal der Auffassung, daß der Mann nach 45 Jahren Knast durchaus genug gebüßt hätte und freigelassen werden sollte, selbst wenn man ihn für schuldig hält. Der Artikel hebt aber schlussendlich darauf ab, daß dies maßgeblich an der aktuellen Stimmung scheitert ("Doch im rechten Klima unter Donald Trump in den USA scheint die Freilassung kaum möglich zu sein."). Bloß gab es zwischenzeitlich mehrereAdministrationen, die nicht "trumpig" waren, die sich darum auch nicht bemüht haben, immerhin können ja auch Präsidenten begnadigen.



      Andererseits lässt einen der Artikel im unklaren darüber, welche Erkrankung den nun zum Erblinden von Herrn Abu Jamal führt. Was waren den die Untersuchungsergebnisse?



      Insgesamt macht das offensichtlich Absichtsvolle den Artikel fragwürdig, auch wenn man sich der Forderung nach Freilassung gerne anschließen möchte.

    • @MarsiFuckinMoto:

      So isses!

  • Meine Güte, schon als Jugendliche bin ich auf Demonstrationen für seine Freilassung gelaufen. Das ist jetzt 35 Jahre her und es ist immer noch die gleiche Situation.



    Was hat eine solche Praxis mit unseren rechtsstaatlich demokratischen Werten zu tun? Und das Land, das so mit Menschen umgeht, erkennen wir als unsere wertepartnerschaftliche Schutzmacht an.

    Was bitte ist hier der Unterschied zur Türkei, China oder Russland, die wir allesamt verachten und verurteilen für einen solchen Umgang mit Menschen?

    • @Edda:

      Sie wissen hoffentlich, dass es bei uns - ganz rechtsstaatlich - Sicherheitsverwahrung gibt?



      Und das die auch bei einer Verurteilung wegen Diebstahls (z.B. im x-Wiederholungsfall) angeordnet werden kann?



      Erst recht bei Mord?



      Und was das bedeutet?



      Und was der geschlossene Maßregelvollzug bedeutet wissen Sie auch?

    • @Edda:

      Was genau hat Sie veranlasst, für einen Polizistenmörder auf die Straße zu gehen?



      Aber es ist ja bekannt, dass Sie von den westlichen Demokratien wenig halten.

    • @Edda:

      "Meine Güte, schon als Jugendliche bin ich auf Demonstrationen für seine Freilassung gelaufen"

      Dürfte ich nachfragen warum?

      Sie können keinen Unterschied zu beispielsweise Russland erkennen? Auch hier, dürfte ich bitte nachfragen warum?

    • @Edda:

      Mit einem Rechtsstaat hat es definitiv zu tun, dass sich Richter nicht von Demonstrationen bei der Urteilsfindung beeinflussen lassen.

      Dass lebenslänglich wirklich lebenslänglich bedeuten kann, spricht nicht von vorneherein gegen "rechtsstaatlich demokratische Werte", auch wenn es seine Berechtigung hat, dass 25 Jahre als höchstmögliche Strafe genug sind.

      Der Unterschied zu China, der Türkei oder Russland springt mir ins Auge.

      Wie viel Zeitungsartikel über Haftbedingungen mit Kritik an der Gefängnisverwaltung haben Sie von lebenslänglich inhaftierten Chinesen oder Russen gelesen?

      Ich verachte übrigens andere Länder nicht, auch wenn ich deren Rechtssystem nicht für erstrebenswert halte.

      Aber das ist eine Frage des persönlichen Geschmacks.