Musik und Digitalisierung: Wer kassiert für die Musik?

Beim Berliner Diskurs-Festival „Right the Right“ im Haus der Kulturen der Welt ging es in Panels, Vorträgen und Konzerten um das Thema Urheberrecht.

Drei Männer vor rosa Hintergrund

Mitch&Mitch reisen per Anhalter durch diverse Pop-Galaxien Foto: Tomasz Dubiel

Wie wäre es, das Pferd von hinten aufzuzäumen? Umgekehrt heißt „Every Breath you take“ dann „Ekat uoy htaerb yreve“ und klingt gleich viel kryptischer. Dazu später mehr. Jedenfalls stellte das viertägige Festival „Right the Right“ im Berliner Haus der Kulturen der Welt die Frage der Reversion, alles sollte umgekrempelt werden, wenn es dabei hilft, die Debatte um Copyrights voranzubringen.

In Vorträgen, Panels und Konzerten wurden Gegner:Innen und Befürworter:Innen von Urheberrecht und Gemeinwohl zusammengebracht. Copyright ist im Zeitalter der Digitalisierung ein hot topic. Einerseits, weil nur noch wenige Musikschaffende von ihren Tantiemen, also der Rechteverwertung ihrer Werke, leben können. Andererseits, weil Internationales Recht durch mehrdeutige Auslegungen und willkürliche Absprachen an seine Grenzen stößt. Und drittens, weil es im Datenkapitalismus vor allem um Content geht und die Abschöpfung von Nutzer:Innen-Daten und die Frage nach der musikalischen Qualität nachranging ist. Im erbitterten Machtkampf zwischen Musikindustrie und Internetkonzernen haben Künstler:Innen nichts zu melden.

In ihrem Vortrag „Reimagining Copyrights“ zeigte die australische Copyright-Expertin Kim Weatherall am Samstag alternative Verwertungsmodelle auf. Die Juraprofessorin der Universität Sydney plädierte für ein Splitting des bestehenden Urheberrechts zwischen Investoren und Kunstschaffenden, um finanzielle Interessen von Kreativarbeit zu entkoppeln und die Belange der Künstler zu stärken. Für einen gewissen Zeitraum sollen Investoren für ihre Förderung an Künstlertantiemen beteiligt sein. Da Kreativität besser geschultert werden müsse, schlug Weatherall eine radikale Fristenänderung vor: Urheberrecht an Werken solle bereits nach zehn Jahren verwirken und jeweils neu verhandelbar sein, um dann in einer zweiten Phase vollumfänglich den Künstlern zugeschlagen zu werden.

Das ungleiche Kräfteverhältnis im „Plattform-Zeitalter“ müsse dringend reformiert werden, sagte Weatherall. Das öffentliche Interesse an Kultur wiege mehr als die Technologisierung kultureller Praktiken, die die großen Internetkonzerne unter Geheimhaltung vorantreiben. Hier müsse regulatorisch eingegriffen werden. Angesichts der fehlenden Transparenz von Internetdiensten wie Spotify, definierte die Australierin deren „Blackbox-Geschäftsgebaren“ als Überfluss-Kapitalismus (overabundance capitalism). Man müsse sich gegen das Fluten aller Medienkanäle mit guter Musik wehren.

Wie gut Verständigung zwischen Copyright-Gegner:Innen und Befürworter:Innen klingen kann, bewies wenig später die polnisch-brasilianische Kollaboration von Mitch&Mitch (kontra) mit Kassin (pro) in der Aula des HKW. Die Instrumentalcombo aus Warschau spielte erstmals mit dem Multiinstrumentalisten aus Rio De Janeiro. Hinter den sieben Musikern tickten auf einer Leinwand drei Zähler, neben den Namen Mitch&Mitch und Kassin war auch der von Superstar Sting eingeblendet. Darunter blinkte jeweils die gerade eingespielte Summe der Tantiemen in Dollar auf. Während Stings Summe rasant anwuchs, mehrten sich die der live Spielenden eher mühsam.

Traumwandlerisches Basszupfen

Der Musik konnte das nichts anhaben: Während Mitch&Mitch per Anhalter durch diverse Pop-Galaxien rasten, aber dabei gar nicht östlich progressiv-rockig klangen, sondern eher westlich-verspielt, wie Doppelgänger des französischen Filmkomponisten François de Roubaix, stand der verschmitzt grinsende Carioca Kassin als Fels in der Bühnenmitte, mit seiner dicken Hornbrille an den schlauen Det von den Mainzelmännchen erinnernd. Etwas hektisch klang die Instrumentalversion von Kassins „O Anestista“ vom letztjährigen Album „Relax“. Mitch&Mitch gingen sehr uptempo zu Werke und Kassin versuchte, mit traumwandlerischem Basszupfen und spärlichen Gitarrenlicks dagegenzuhalten.

Erst zum Finale wurde runtergebremst und„Every Breath you take“ komplett rückwärts gespielt. Stings Zahlrädchen stand plötzlich wieder auf Null, Mitch&Mitch und Kassin hatten jeweils 60 Dollar verdient, das Publikum jubelte frenetisch.

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