Musikbranche im Aufwind: Mit Downloads lässt sich Geld machen

Der Musikbranche geht es wieder besser. Dabei wurden in den USA zum ersten Mal mehr Downloads als CDs verkauft. Auch in Deutschland bessert sich die Stimmung der Branche.

Kein Grund zur Traurigkeit: die Sängerin Adele war 2011 große Verkaufssiegerin. Bild: dapd

NEW YORK/BERLIN dpa/dapd | Die US-Musikbranche zieht an, wenn auch nur leicht: Der Verkauf von Musik-Alben ist im Jahr 2011 um 1,3 Prozent gestiegen. Seit 2004 waren die Verkäufe nur gefallen. Komplette Alben verkauften sich 331 Millionen Mal – fünf Millionen mehr als im Vorjahr. Das zeigt der Branchenreport Nielsen SoundScan.

Der Gesamtverkauf von Alben, Singles, Musikvideos und Digitalmusik stieg um fast sieben Prozent auf 1,6 Milliarden. Einen großen Anteil am Hoch hat laut Nielsen die britische Sängerin Adele: Ihr Album "21" ging in den USA knapp sechs Millionen Mal weg. Mehr schaffte 2004 nur Ushers "Confessions", von dem damals acht Millionen Kopien verkauft wurden.

Den zweiten Platz belegte Michael Bublés "Christmas" mit 2,4 Millionen Verkäufen, Lady Gagas "Born This Way" folgte mit 2,1 Millionen und Lil Waynes "Tha Carter IV" mit 1,9 Millionen.

Der digitale Verkauf zog 2011 ebenfalls an. 1,3 Milliarden individuelle Tracks wurden in Amerika runtergeladen, das sind gut acht Prozent mehr als im Jahr davor. Der Download kompletter Alben stieg um ein Fünftel auf 103 Millionen an. Zum ersten Mal machte der digitale Verkauf etwas mehr als die Hälfte aus, nämlich 50,3 Prozent.

Zum vierten Mal in Folge stieg der Verkauf von Vinyl-Platten an: 2011 wurden 3,9 Millionen erstanden, die Zahl vom Vorjahr lag bei 2,8 Millionen. 67 Prozent der Vinyl-Fans gingen in Amerika zum Kauf in unabhängige Musikgeschäfte. Im Vergleich zum Geschäft mit CDs ist das freilich immer noch ein Nischengeschäft.

Deutschland ebenfalls optimistisch

Auch die seit Jahren mit einem Umsatzminus kämpfende deutsche Musikbranche blickt auf ein "besser als von vielen erwartetes" Jahr 2011 zurück. "Dieses Jahr sieht von den ersten drei Quartalen her sehr ordentlich aus, wir liegen in etwa auf dem Vorjahresniveau", sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie, Florian Drücke. Vor allem beim digitalen Vertrieb habe es wieder einen deutlichen Anstieg gegeben. 2010 hatte die Branche noch ein Minus von 4,6 Prozent verbucht.

2012 wird sich der Markt nach Einschätzung des Verbands "noch mal deutlich verändern". Der IT-Branchenverband Bitkom und die Verwertungsgesellschaft GEMA hatten jüngst die lang erwartete Einigung in Bezug auf die Lizenzierung und Vergütung von Urheberrechten unterzeichnet und damit den Weg für neue Musikdienste im Netz geebnet. Noch sei aber nicht jedes Geschäftsmodell von der Einigung abgedeckt. "Viel wird davon abhängen, wie der jüngst angekündigte Tarif im Detail aussieht und in der Praxis lebbar ist."

Neue Streaming-Dienste finden nach Einschätzung der Musikindustrie in Deutschland "einen aufstrebenden Markt" vor. "Deutschland hat einen extrem stabilen CD-Markt, aber auch noch viel Raum für neue Online-Angebote", sagte Drücke. Zwar gehe er davon aus, dass viele Konsumenten Streaming-Angebote nutzen wollten. "Wir wissen aber auch, dass deutsche Kunden das haptische Erlebnis suchen, also im Wesentlichen die CD, und bei der Internetnutzung oft zaghafter sind als andere europäische Nachbarn."

So rechnet der Verband trotz neuer Streaming-Angebote damit, dass auch Alben- und Single-Downloads weiter steigen. Der Verkauf von CDs werde über die Jahre "abschmelzen, aber sie ist noch nicht tot".

Radikale Reform der Charts erwartet

Der Berliner Musikunternehmer Tim Renner rechnet vor dem Hintergrund des sich vergrößernden Online-Marktes für Musik mit einer radikalen Reform der Charts. Bei dem Streamingdienst Spotify, dessen Markteintritt in Deutschland 2012 erwartet wird, gebe es etwa in Schweden und Frankreich die Musiktitel bereits dann, wenn sie im Radio gespielt würden - und damit bis zu zehn Wochen vor der offiziellen Veröffentlichung, sagte der Chef von Motor Entertainment.

Dies widerspreche der bisherigen deutschen Chart-Logik, die darauf basiere, dass der Konsument im Radio einen Song höre, den er zu dem Zeitpunkt aber noch nicht kaufen könne. "Auf dem Punkt des höchsten Bedarfs erfolgt dann die Veröffentlichung", sagte Renner. "Das geht nicht mit einer digitalen Logik einher."

Renner macht den Erfolg von Streaming-Diensten von ihrer Aktualität und damit der Konkurrenzfähigkeit mit dem illegalen Angebot abhängig. Die große Frage werde 2012 sein, ob sich die Industrie trauen und Musik frühzeitig freigeben werde oder weiter wochenlang Bedarf aufstaue, um das Chart-System zu wahren, sagte er.

"Social Charts" statt der alten Hitlisten

Der frühere Deutschland-Chef von Universal Music prognostiziert eine Reform des deutschen Chart-Systems für Ende 2012. Zugleich plädierte er dafür, wie in Großbritannien Streams und Downloads vor der Veröffentlichung freizugeben und dann für die erste Chart-Woche mitzuzählen.

Immer mehr Menschen entdeckten neue Musik nicht mehr durch das Mainstream-Titel spielende Radio, sondern selbst im Internet oder durch dortige Verlinkungen mit Freunden. Die klassischen Charts würden immer weniger interessant "und irgendwann auch obsolet".

Renner zufolge geht die Entwicklung in Richtung "Social Charts": "Wenn Ihre Facebook-Freunde zulassen, dass ihr Spotify-Nutzerprofil abgebildet wird, und Sie sich das verdichtet als Charts darstellen lassen können, wissen Sie Woche für Woche, was Ihre definierte Gruppe von vielleicht 50 Menschen hört. Das sind relevantere Informationen als: Lady Gaga hat eine neue Single herausgebracht."

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