Mutterschutz für Selbstständige: Es braucht sechs Arme
Seit 1952 besteht eine Gesetzeslücke: Selbstständige haben keinen Mutterschutz. Eine Aktion vor dem Reichstag sorgte jetzt für Aufsehen.

Genau darauf will das Bündnis „Mutterschutz für alle“ aufmerksam machen. Die temporär vor dem Reichstag anzutreffenden Statue weist auf eine große Lücke im deutschen Recht: Für Selbstständige gibt es bislang keinen gesetzlichen Mutterschutz – obwohl im Grundgesetz Schutz und Fürsorge für alle Mütter verankert sind.
Seit 1952 sieht das Mutterschutzgesetz ein Beschäftigungsverbot vor, das sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin beginnt und acht Wochen nach der Geburt endet. Innerhalb dieser bis zu 14 Wochen erhalten angestellte Mütter ihr reguläres Gehalt, ein Teil des Gehalts wird über das Mutterschaftsgeld abgedeckt, den Rest zahlt der Arbeitgeber.
Selbstständige hingegen müssen ihre Absicherung selbst organisieren. Freiwillig gesetzlich Versicherte können zwar Krankengeld in Höhe von 70 Prozent des letzten Bruttoeinkommens beziehen, diese Leistung muss aber extra beantragt werden. Privat Versicherte sind vollkommen von den sehr unterschiedlichen Tarifen ihrer Versicherungen abhängig. Was mit diesen schon lückenhaften Möglichkeiten nicht abgesichert ist, sind laufende Betriebskosten von Unternehmerinnen, die sich bislang nur schwer versichern lassen.
Wird alles gut?
Diese Erfahrung machte auch Tischlermeisterin Johanna Röh, als sie schwanger ihren Tischlereibetrieb am Laufen halten musste. Sie ist die Frau hinter der Statue und Gründerin der Initiative. Mit Erfolg: ihr Anliegen hat es in den Koalitionsvertrag geschafft. Dabei gibt es schon seit 2010 besteht eine EU-Richtlinie zur Gleichstellung von Selbständigen, die auch den Mutterschutz betrifft, die bislang aber nicht von Deutschland umgesetzt wurde.
Unterstützt wird Röh parteiübergreifend. Am Donnerstag ließen sich Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) und die Grünen-Parteivorsitzende Franziska Brantner mit der Statue ablichten. Schirmherrin der Aktion ist Gitta Connemann (CDU), Vorsitzende der Mittelstandsunion. Sie verpflichtete sich im Namen der Bundesregierung zu einer Lösung für Selbstständige innerhalb dieser Legislaturperiode. Im kommenden Jahr will die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vorlegen. Wird also am Ende alles gut?
Viele Fragen sind noch offen. Vor allem die Finanzierung: Im Raum steht ein solidarisches Umlageverfahren, bei dem alle selbstständig Tätigen in Deutschland mit einem monatlichen Beitrag von fünf Euro das Mutterschaftsgeld finanzieren, und zwar in Höhe des durchschnittlichen Bruttolohns. Die Frage ist: Welchen Zeitraum legt man für dessen Berechnung zugrunde?
Johanna Röh
In vielen Berufen ist es gar nicht möglich, schwanger bis sechs Wochen vor der Geburt voll oder auch überhaupt zu arbeiten. Zum Beispiel als Handwerkerin, die Lasten tragen muss. Ihr Einkommen sinkt also während der in diesem Zeitraum und würde in der Rechnung für niedrigere Sätze sorgen. Der Bemessungszeitraum muss also groß genug sein, um Schwangere nicht für ihre reduzierte Arbeitszeit zu bestrafen.
Deshalb unterstrich Röh bei der Enthüllung der Statue: „Was uns jetzt bleibt, ist die konkrete Ausgestaltung und die Bereitschaft, die Vielfalt der Selbstständigkeit mitzudenken.“
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