NPD-Leaks in der taz: "Vorsicht! Feind liest mit!"

Nach der Offenlegung ihrer E-Mails tobt die NPD und erstattet Anzeige. Die demokratischen Parteien reagieren angewidert auf die rassistischen Mails.

NPD-Wahlkampf in Sachsen-Anhalt: Holger Apfel, Matthias Faust, Udo Pastörs und Udo Voigt (von links). Bild: dpa

BERLIN taz | Die NPD hat mit wütenden Tiraden auf die Veröffentlichung von E-Mails aus dem Inneren der rechtsextremen Partei reagiert. "Vorsicht! Feind liest mit!", ist eine Stellungnahme der NPD-Parteizentrale überschrieben, die noch am Freitagabend veröffentlicht wurde.

Dort heißt es über die mehr als 60.000 E-Mails, über die die taz und andere Medien zuvor berichtet hatten: "Da der Systempresse die Gruselgeschichten über die NPD scheinbar ausgegangen sind, müssen die nach Hetzberichten hechelnden Journalisten Hilfe von kriminellen Zulieferern in Anspruch nehmen." Weiter wettern die Rechtsextremen: "Liefern wir unseren Gegnern keine Vorlagen und gehen noch verantwortungsbewusster mit unserer gesamten Kommunikation um. Es ist davon auszugehen, dass das System über weitreichende Möglichkeiten verfügt, die gesamte E-Post der NPD mitzulesen."

Gleichzeitig ist dort schwammig die Rede von "möglicherweise manipulierten Briefen". Die taz hat bei ihrer Überprüfung der Mails keine Hinweise auf Manipulationen gefunden.

In den E-Mails bildet sich die rassistische und neonazistische Ideologie der Partei ab. Dort ziehen NPDler über "Negerkinder" und "Bimbos" her und grüßen sich schon mal mit der strafbaren Formel "Mit Deutschem Gruß". Aber auch zahlreiche interne Streitigkeiten werden ausgetragen. Der Leiter der Forschungsstelle Rechtsextremismus an der FH Düsseldorf, Fabian Virchow, ist sich deshalb sicher, dass "dieses Informationsleck zu Verunsicherungen und Verstimmungen führen wird".

Da hat er recht. Am Rande der Neonazidemo in Dresden sagte NPD-Funktionär Udo Pastörs aus Mecklenburg-Vorpommern am Sonntag, es sorge für Unmut, "dass die Parteizentrale in Berlin offenbar nicht in der Lage ist, den Mailverkehr ordentlich zu verschlüsseln".

SPD: NPD verbieten

Die Mails liefern auch einen Einblick in die Wahlkampfstrategie der Rechtsextremen in Sachsen-Anhalt, wo am 20. März ein neuer Landtag gewählt wird. Auch die dortige NPD reagierte am Wochenende mit einer wütenden Stellungnahme. Die Landespartei teilte mit, man sei "möglicherweise von einem groß angelegten Datendiebstahl betroffen". Man habe Strafanzeige erstattet - gegen wen, blieb unklar. Dem MDR sagte NPD-Sprecher Michael Grunzel noch: "Die generelle Authentizität dieser E-Mails können wir nicht 100-prozentig ausschließen."

Der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy sieht in den E-Mails einen "weiteren Beleg dafür, dass die NPD eine zutiefst rassistische Partei ist". Besonders die Äußerungen über Migranten seien "einfach nur widerlich". Edathy sprach sich gegenüber der taz für einen erneuten Versuch aus, die NPD zu verbieten. "So bieder und bürgerlich die NPD sich im Wahlkampf auch versucht zu geben: Sie ist eine durch und durch antidemokratische Partei, die verboten werden sollte", sagte er.

Die neuen Mails: Der taz und anderen Medien liegen über 60.000 Mails aus dem Inneren der rechtsextremen NPD vor. Darin enthalten sind neben der Korrespondenz führender Köpfe der Partei auch Rechnungen, Darlehensverträge und komplette Adresslisten etwa von NPD-Interessenten. Die meisten Mails stammen aus dem Zeitraum März 2010 bis Ende Januar 2011. An der Echtheit der Mails besteht nach Prüfung durch taz-Redakteure und externe Experten kein Zweifel. Auch Hinweise auf eine Manipulation des Inhalts gibt es nicht. Siehe www.taz.de/npd-mails.

Die alten Mails: Die jetzigen NPD-Mails sind nicht identisch mit den von Wikileaks im März 2010 angekündigten. Dabei handelte es sich nach Angaben des damaligen Wikileaks-Aktivisten Daniel Domscheit-Berg um 37.000 Mails aus einem Zeitraum von drei Jahren. Bisher wartet man auf deren Veröffentlichung vergebens.

"Die Veröffentlichungen kommen rechtzeitig vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt", sagte Monika Lazar, Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion für Strategien gegen Rechtsextremismus, der taz. "So können sich die WählerInnen selbst ein Bild über den wahren Geist der NPD machen."

Wie die taz berichtete, zeigen die Mails außerdem, wie der Wahlkampf der NPD in Sachsen-Anhalt von Holger Apfel organisiert wird, der NPD-Fraktionschef im benachbarten Sachsen ist - eine fragwürdige Vermengung. Lazar forderte den Sächsischen Landtag auf, Konsequenzen aus der Sache zu ziehen. "Die E-Mails zeigen deutlich, dass die sächsische NPD-Landtagsfraktion hier illegal Fraktionskapazitäten zur Unterstützung des Wahlkampfs in Sachsen-Anhalt missbraucht", sagte sie.

"Wenig aktive Fraktion"

Dass die NPD-Landtagsfraktion von Sachsen aus den Wahlkampf in Sachsen-Anhalt wesentlich mitplant und -steuert, vermutete Kerstin Köditz, Linke-Abgeordnete im Sächsischen Landtag, schon vor der Veröffentlichung. "Je näher die Wahl in Sachsen-Anhalt rückte, desto weniger aktiv war die Fraktion im Landtag", sagte Köditz der taz.

Die taz sieht recht(lich)en Schritten der rechtsextremen NPD gelassen entgegen. Bereits 2008 hatte der Spiegel aus internen Mails der NPD zitiert. Das Landgericht Hamburg erließ zunächst eine einstweilige Verfügung, die das Zitieren aus den Mails untersagte. Diese wurde später aber aufgehoben. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege bei der Abwägung der Interessen das Persönlichkeitsrecht der Antragsteller von der NPD, argumentierten die Richter damals.

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