NS-Gedenken: Stolpersteine geschwärzt

Unbekannte beschmieren Stolpersteine für Nazi-Opfer in Eppendorf. Derweil enthüllt die Patriotische Gesellschaft 20 Steine.

Von Unbekannten beschmiert: die Stolpersteine für die Geschwister Emil und Rudolphine Bär. Foto: Detlef Pätzold

HAMBURG taz | In der Eppendorfer Kegelhofstraße sind zwei Stolpersteine zum Gedenken an Nazi-Opfer beschädigt worden. Die Steine, die an die Geschwister Emil und Rudolphine Bär erinnern, wurden mit schwarzer Farbe besprüht. So etwas komme immer mal wieder vor, sagt der Koordinator des Erinnerungsprojekts „Stolpersteine in Hamburg“, Peter Hess. „Wir sind schon froh, wenn die nicht mit dem Vorschlaghammer draufhauen.“

Die Stolpersteine sind kleine Betonwürfel mit Messing-Oberseite, in die die Lebensdaten von BürgerInnen eingepunzt sind, die von den Nationalsozialisten deportiert wurden. Seit gut 20 Jahren verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig diese Steine vor allem in Deutschland, aber auch in anderen Ländern Europas. Mehr als 44.000 sind es inzwischen, rund 4.900 davon in Hamburg. Gestern sind 20 dazu gekommen: Die Patriotische Gesellschaft von 1765 hat Stolpersteine enthüllt, um der Mitglieder zu gedenken, die sie während der Nazi-Zeit ausgeschlossen hat.

Das Stolperstein-Projekt wird von Geschichtswerkstätten und Initiativen getragen, die die Biografien von Opfern recherchieren und das Verlegen von Steinen anregen. Für jeden Stein braucht es einen Paten, der die Verlegung mit 120 Euro finanziert. Farbschmierereien wie auf dem Stein der Bärs könnte man wenigstens entfernen, sagt Peter Hess. „Wir sorgen dafür, dass das immer wieder gereinigt wird.“

Das Steine ausgewechselt werden müssten, sei dagegen selten. „Bei fast 5.000 Steinen in Hamburg sind nur zwei Dutzend beschädigt worden“, sagt Hess. Jede Beschädigung und Beschmutzung melde das Projekt dem Staatsschutz. Bundesweit sind nach Angaben Demnigs 800 Steine mit Farbe, Teer oder Silikon beschmiert worden. 100 Steine seien herausgerissen, die Täter nie ermittelt worden.

Die Geschwister Emil und Rudolphine Bär lebten nach Recherchen des Stolperstein-Projekts gemeinsam in der Kegelhofstraße 34.

Emil, geboren am 18. Juni 1877, war von Beruf "Korrespondent" und arbeitete bei Hagenbecks Tierpark. Er wurde am 18. November 1941 nach Minsk deportiert.

Rudolphine, geboren am 2. März 1879, war von Beruf Haushaltshilfe. Sie wurde mit ihrem Bruder deportiert.

Ihr Hausrat wurde am 9. und 10. Februar 1942 für 865 Reichsmark (3.200 Euro) versteigert.

Nach Minsk deportiert und ermordet wurde auch ihr Bruder Louis (*1877) aus der Wrangelstraße 10. Er hatte im Ersten Weltkrieg gekämpft und nach dem Krieg eine Fischfirma aufgebaut.

Die jüngsten Brüder Hugo (*1886) und Julius (*1891) überlebten in Argentinien.

Während also einige die Steine noch immer nicht ertragen können, verlegt Demnig immer neue. Für die Patriotische Gesellschaft bot das eine Gelegenheit, des größten Bruchs ihrer Geschichte zu gedenken, als den die Philosophin Marlis Roß den Ausschluss vieler Mitglieder eingestuft hat: 1935, wenige Tage nach Verkündung der „Nürnberger Rassegesetze“ setzte die Patriotische Gesellschaft den sogenannten Arierparagrafen der Nazis um. Wer jüdischer Abstammung war, musste die Gesellschaft verlassen.

Maßgeblich vorangetrieben habe den Vorstandsbeschluss der damalige Vorsitzende Werner Puttfarken, der Leiter des Traditionsgymnasiums Johanneum. Ausgeschlossen wurden Menschen wie der Tabakhändler Richard Carl Abraham, den die Gestapo nach den Recherchen von Roß 1942 in den Selbstmord trieb oder der Kinderarzt Moritz Nordheim, der sich 1938 das Leben nahm.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.