NSA-Tricks vor Jahren von BND gemeldet: Die Regierung wusste Bescheid

Die Bundesregierung war seit Jahren über Versuche der NSA informiert, den Bundesnachrichtendienst zur Wirtschaftsspionage zu benutzen.

Undurchsichtige Vorgänge im Kanzleramt. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Bundesregierung war schon seit 2008 darüber unterrichtet, dass die USA den Bundesnachrichtendienst zur Überwachung europäischer Unternehmen benutzten. Das berichtet die Bild am Sonntag. Die Bundesregierung hat den Bericht im Kern bestätigt.

Am Donnerstag war bekannt geworden, dass der BND bei seiner Überwachung von Telekommunikation im Ausland faktisch Wirtschaftsspionage im Dienste des US-Geheimdienstes NSA betrieb. Der BND nutzte bei der Überwachung auch „Selektoren“ (etwa Telefonnummern, IP-Adressen), die ihm die NSA lieferte. Tausende dieser Selektoren waren aber gegen deutsche oder europäische Interessen gerichtet, weil sie etwa europäische Firmen und Politiker betrafen.

Bisher stand neben der NSA vor allem der BND am Pranger. Er habe schon 2005 die Tricks der Amerikaner bemerkt, ohne die Bundesregierung zu informieren, so Medienberichte. Eine BND-Sammlung der abgelehnten Selektoren habe bis zu 40.000 Einträge umfasst. Bei einer erneuten Überprüfung nach den Snowden-Enthüllungen habe der BND weitere 2.000 bisher unerkannte problematische Selektoren erkannt. Die Bundesregierung sei von BND-Chef Schindler aber erst im März 2015 unterrichtet geworden, als der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags nachfragte.

Nach Darstellung der Bild am Sonntag hat der BND jedoch bereits 2008 in einem „streng vertraulichen Bericht“ auf den Vorgang hingewiesen. Die NSA habe versucht, Wissen über die multinationalen Rüstungskonzerne EADS und Eurocopter abzuschöpfen. Chef des Kanzleramts war 2008 der heutige Innenminister Thomas de Maizière. Außerdem habe der BND Kanzleramts-Chef Ronald Pofalla 2010 auf die US-Praktiken hingewiesen. Anlass war die Vorbereitung eines Treffens Pofallas mit US-Vertretern. Trotz dieser Hinweise habe die Bundesregierung die Kooperation von BND und NSA weiterlaufen lassen.

Die Bundesregierung reagierte auf die Bild-Meldung zunächst ausweichend und verwies auf eine Stellungnahme von Donnerstag, wonach „das Bundeskanzleramt technische und organisatorische Defizite beim BND identifiziert“ habe. „Das Bundeskanzleramt hat unverzüglich Weisung erteilt, diese zu beheben.“ Am Sonntagnachmittag bestätigte ein Sprecher der Bundesregierung dann der taz: „Die in der Bild am Sonntag aufgeführten Unterlagen hat das Bundeskanzleramt bereits 2014 dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt.“ Der NSA-Ausschuss habe sie auch in dem Beweisbeschluss erwähnt, der die Affäre ins Rollen brachte.

Neben Innenminister de Maizière, der bereits wegen seiner Rolle bei der Prüfung des unzuverlässigen Gewehrs G36 angeschlagen ist, rückt damit auch Klaus-Dieter Fritsche in den Fokus. Fritsche war bis 2009 Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt unter de Maizière. Seit 2014 amtiert er als Beauftragter der Bundesregierung für die Nachrichtendienste. Fritsche ist damit auch für die Aufklärung der Affäre zuständig.

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