NSU-Prozess in München: Verbindungen zu Blood and Honour

Richter Götzl lässt Nachfragen zum Netzwerk Blood&Honour zu. Das könnte für eine Abkehr von der These stehen, der NSU habe aus drei Personen bestanden.

Zschäpes Verteidigung will Nachfragen zu B&H verhindern. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Ein CD-Sampler sorgte vor dem Oberlandesgericht München für Auseinandersetzungen. Im NSU-Verfahren gegen die Hauptbeschuldigte Beate Zschäpe wollte ein Nebenkläger am Mittwoch von der Zeugin Anja B. wissen, bei welchem Label die CD „Oi für Deutschland“ erschienen sei.

Eine Frage, die für die Verteidigung von Zschäpe zu weit ging: „Was hat das mit dem Verfahrensgegenstand zu tun?“, fragte Verteidiger Wolfgang Stahl. Dabei gab es gute Gründe für diese Frage: Nebenkläger Alexander Hoffmann wollte über das Netzwerk von „Blood & Honour“ (B&H) reden. Und die Verteidigung eben lieber nicht.

Am Vormittag hatte es im Saal A 101 zunächst ein einsilbiges Abstreiten und Nichterinnern gegegben. „Nee“, „nein“, „weiß ich nicht“, „als Mädchen hielten die Jungs mich raus“, waren die Standardantworten von Anja B. Die Skinhead-Frau steht unter Verdacht, bei B&H aktiv gewesen zu sein. Zudem soll sie Beate Zschäpe ihren Reisepass für die Flucht angeboten zu haben.

Sie tat unwissend auf die Fragen des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl zum Netzwerk, zu ihrem Mitwirken bei Konzerten, zu ihrem Wissen über Waffen. Nebenkläger Hoffmann fragte gezielt mit Material aus der Szene nach. Prompt musste sie einräumen, dass nicht bloß ihr ehemaliger Mann, sondern auch sie selbst bei der Chemnitzer Rechtsrockgruppe AEG (Auf eigene Gefahr) mitspielte. Am Bass.

Harte Linie aufgeweicht

Als Hoffmann nachfragte, ob AEG auch bei CDs von B&H mitgewirkt habe, reichte es dem Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Stahl. „Das Thema B&H ist nicht Thema der Anklage“, schimpfte er. „Sie weiten das Verfahren zu weit aus!“ Richter Götzl erinnerte Stahl daran, dass in der Anklage B&H erwähnt würde, es also tatsächlich Thema der sei.

Der Anwalt des Mitangeklagten Ralf Wohlleben, Olaf Klemke, schob sogleich nach, dass mit diesen Fragen der Nebenkläger die Zeugin bewegt werden sollte falsche Aussagen zu machen, um sie belangen zu können. Nebenkläger Yavuz Narin wetterte indes: „Bei dieser Staatsanwaltschaft muss sich kein lügender Nazi Sorgen um eine Strafverfolgung machen!“

Hoffmann blieb bei seiner Frage – unterstützt von weiteren Nebenklägern. Ein Beschluss des Gerichts ließ die Frage zum Sampler zu. Bei Thorsten L. sei sie erscheinen, sagte Anja B. In den 1990er-Jahren war dieser einer der umtriebigsten Rechtsrock-Produzenten.

Und so scheint die harte Linie des Gerichtes nun aufzuweichen: Anfangs blieb es eng bei der Annahme der Bundesanwaltschaft, dass nur Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Zschäpe den NSU bildeten. Nun fragt der Vorsitzende Richter zum Netzwerk B&H nach, das dem Trio das erste Geld, die ersten Unterschlüpfe und ersten Waffen besorgt haben soll.

Das dauert natürlich seine Zeit, der Terminplan wurde erweitert: Bis zum Januar 2016 will das Gericht weiter über die Terrorgruppe verhandeln, der zehn Morde, drei Bombenanschläge und vierzehn Banküberfälle zugeschrieben werden.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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