NSU-Prozess in München: Ceska mit Schalldämpfer geliefert

Die Aussage eines Schweizer Waffenhändlers könnte den Mitangeklagten Carsten S. entlasten. Erneut konnte nicht nachgewiesen werden, dass Zschäpe an den Tatorten war.

Die Mordwaffe hatte der NSU über Umwege aus der Schweiz besorgt. Bild: dpa

MÜNCHEN dpa | Die Pistole der Marke „Ceska“, mit der die Terroristen des NSU neun Menschen ermordet haben sollen, wurde bereits vom Hersteller mit Schalldämpfer geliefert. Das berichtete ein ehemaliger Waffenhändler aus der Schweiz beim NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München.

Der 45-Jährige hatte die spätere Tatwaffe an einen Kunden in der Schweiz weiterverkauft. Von dort gelangte sie den Ermittlungen zufolge über Mittelsmänner zu den Angeklagten Carsten S. und Ralf Wohlleben, die sie an die mutmaßlichen Terroristen weitergaben.

Die Aussage des Schweizers könnte den Angeklagten Carsten S. entlasten. Er hatte ausgesagt, dass er den Schalldämpfer nicht eigens bestellt habe – er sei einfach mitgeliefert worden. Carsten S. hat nach seiner eigenen Aussage die Waffe im Auftrag Wohllebens in einem rechten Szeneladen in Jena besorgt und an die drei Untergetauchten übergeben. Hätte S. einen Schalldämpfer bestellt, könnte dies dafür sprechen, dass er zumindest hätte ahnen können, wozu die NSU-Terroristen die Waffe nutzen wollten.

Ein weiterer Zeuge aus der Schweiz, der für Mittwoch geladen war, erschien nicht vor Gericht. Ein für Donnerstag geladener Zeuge aus der Schweiz hat bereits angekündigt, dass auch er nicht erscheinen werde. Der für Donnerstag geplante Verhandlungstermin wurde deshalb gestrichen.

Keine belastenden Beweise

Das Gericht hat außerdem Aufnahmen einer Überwachungskamera gezeigt, um die Ähnlichkeit einer Passantin mit Beate Zschäpe zu prüfen. Die Bilder wurden in der Nähe der Keupstraße in Köln aufgenommen, wo die Terroristen 2004 eine Nagelbombe zündeten. Auf der mehrere Minuten langen Sequenz ist eine Frau mit langen dunklen Haaren zu sehen, die anscheinend auf jemanden wartet und mehrmals telefoniert.

Auf den ersten Blick scheint eine gewisse Ähnlichkeit mit der mutmaßlichen Neonazi-Terroristin erkennbar. Nach den Ausschnittvergrößerungen, die das Gericht in Auftrag gegeben hatte, scheint es jedoch eher unwahrscheinlich, dass es sich bei der Frau um die Hauptangeklagte handelt.

Bislang gibt es keine belastbaren Hinweise, dass Zschäpe selbst bei den Anschlägen des NSU in Nähe der Tatorte gewesen sein könnte. Sie ist als Mittäterin angeklagt, weil sie für die legale Fassade der Gruppierung gesorgt haben soll.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.