Streik gegen Hitler: Der Tag der Kommunisten

Vor achtzig Jahren protestierten die Mössinger gegen Hitlers Ernennung zum Reichskanzler. An diesem Samstag wird der Helden von einst gedacht.

Bernd Jürgen Warneken mit seinem Buch über den Streik in Mössingen. Bild: dpa

STUTTGART taz | Seit über fünfunddreißig Jahren beschäftigt sich Bernd Jürgen Warneken schon mit diesem Datum: 31. Januar 1933. An diesem Tag vor achtzig Jahren leistete ein schwäbisches Dorf ganz allein Widerstand gegen Adolf Hitler, der am Tag zuvor zum Reichskanzler ernannt worden war.

Der Tübinger Kulturwissenschaftler Warneken hat viel zu dem Aufstand in Mössingen am Rande der Schwäbischen Alb geforscht. Nur eine Frage kann er heute noch immer nicht sicher beantworten: Warum Mössingen, warum nicht woanders?

Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) hatte nach Hitlers Machtergreifung deutschlandweit zu einem Generalstreik aufgerufen. Daraufhin versammelten sich am 31. Januar in Mössingen etwa hundert Kommunisten und Antifaschisten an der Turnhalle der Arbeitervereine. Von dort zogen sie zu den örtlichen Betrieben, sodass die Gruppe der Streikenden im Laufe des Tages auf etwa achthundert Teilnehmer anwuchs. Nirgendwo sonst gab es in Deutschland einen vergleichbaren Aufstand an diesem Tag.

Traditionell linkes Dorf

„Die Mössinger hatten eine Tradition als linkes Dorf“, versucht Warneken eine Erklärung. „Teile von ihnen haben sich schon immer als Avantgarde gefühlt.“ Und es habe schließlich den Anschein gemacht, als würden vielerorts die Menschen auf die Straße gehen. „Und deshalb dachten die Mössinger, dass man dabei sein muss, sonst wäre es peinlich.“

Tatsächlich soll es auch in anderen Städten Versuche eines Aufstands gegeben haben. „In Großstädten aber kam sofort die Polizei, um den Streik zu unterdrücken, so etwa in Stuttgart“, berichtet Warneken weiter. Im Örtchen Mössingen hingegen habe es damals nur drei Polizisten gegeben, „und es gab auch nicht die Bereitschaft vom Bürgermeister, dort einzugreifen.“ So blieben den Streikenden etwa vier Stunden Zeit, bis Polizisten aus dem nahen Reutlingen anrückten. „Dann war der Streikversuch blitzschnell zu Ende.“

Warneken hat die Geschichte des Streiks in dem Buch „Da ist nirgends nichts gewesen außer hier“ zusammengefasst. Die Abgeschiedenheit des Dorfes mit wenig Polizei ist für ihn eine mögliche Erklärung für den Streik in Mössingen. Eine weitere ist, dass es im Dorf viele Sympathien für die Kommunisten gegeben hat. Die hätten damals – durchaus auch in Kooperation mit dem Bürgermeister – viel auf den Weg gebracht, wie etwa den Bau der Turnhalle. „Die Stimmung war nicht nur feindselig. Deshalb wollte der Bürgermeister auch nicht sofort gegen den Streik eingreifen.“

Und schließlich habe die Textilfirma Pausa eine wichtige Rolle gespielt. Die Besitzer hätten damals die Abstimmung für den Streik akzeptiert und ihren Arbeitern für den Nachmittag freigegeben.

Helden oder Stalinisten

„Wäre die Aufforderung zum Generalstreik überall befolgt worden“, urteilt das Oberlandesgericht Stuttgart 31 Jahre später in einem Wiedergutmachungsprozess, „so wäre diese Maßnahme durchaus geeignet gewesen, das angestrebte Ziel, die Regierung Hitlers lahmzulegen und zum Rücktritt zu zwingen, zu erreichen.“

Doch auch heute noch streiten Bürger der Stadt darüber, ob die Streikenden von damals Helden waren oder Stalinisten, die für eine kommunistische Revolution kämpften. In diesem Jahr jährt sich der Generalstreik zum 80. Mal. Mehrere Organisationen haben für diesen Samstag zu einer Demonstration aufgerufen. 1983 hatte es schon einmal eine Demo zum Gedenken an den Generalstreik gegeben.

Damals seien mehrere tausend Menschen gekommen, berichtet Warneken. „Das lag damals an der viel diskutierten Nachrüstungsfrage, wodurch zwei Themen miteinander verknüpft werden konnten“, sagt er. „Ich denke aber schon, dass jetzt am Samstag auch wieder ein paar Tausend auftauchen werden.“

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