Datingportale für käufliche Liebe: Daddy, lass was springen!

Drei Millionen ältere Menschen suchen online explizit nach einem Partner, der Status oder Jugend verspricht. Dabei sind die Grenzen zur Prostitution fließend.

Wohl der Protoyp eines Sugardaddys: reicher Hugh Hefner mit schöner Crystal Harris. Bild: dpa

Wer die Startseite von Seekingarrangement.com öffnet, dem wird sofort klar, worum es geht: ein Mann im Business-Look mit grauen Schläfen und einem Geldschein in der Brusttasche, daneben eine junge, normschöne Brünette, die den Finger an die Lippen legt, als hätte sie ein Geheimnis. Die Seite vermittelt wohlhabende, meist ältere Männer und Frauen – die Sugardaddys und Sugermummys – an junge, attraktive Menschen, die mit einem gehobeneren Lebensstil liebäugeln – im Folgenden Sugarbabys genannt. Oder kurz: Schönheit und Jugend gegen Reisen und Restaurantbesuche.

Das Phänomen ist ein altes. Neu ist die offenbare Salonfähigkeit dieser Art von Beziehung und die Offenheit, mit der im Netz danach gesucht wird. Die US-amerikanische Seite gibt es seit 2005 und zählt bereits über drei Millionen Mitglieder weltweit.

„Mir ist es wichtig, dass mein Partner gut situiert ist und mir auch was bieten kann“, sagt die 22-jährige Jurastudentin aus Berlin bei einem Telefonat, die auf ihrem Profil Ana heißt. Über Seekingarrangements hat sie ihren Freund kennengelernt: einen 38-jährigen Investor. 42 Prozent der Sugarbabys sind Studierende wie sie, in Deutschland ist die Uni mit dem höchsten Sugarbaby-Anteil die Humboldt-Universität zu Berlin.

Ulrich Weber*, 55, ist Mitglied bei MySugardaddy.eu, einem Portal, das 2011 in Deutschland mit dem gleichen Konzept gegründet wurde. „Was mit Immobilien“, umschreibt der elegant gekleidete Herr mit dem weißen Haar seinen Beruf. Er lacht viel, sein Blick ist forsch. Er scheint keine Eile zu haben, als er in einem Café in Berlin-Charlottenburg voller Offenheit über Beziehung spricht. Er schätze die Ehrlichkeit, die auf der Datingseite herrsche.

Sugardaddy statt Studienkredit

Frauen hätten generell mehr Probleme damit, sich „nach unten zu binden“, sagt er. Auch bei herkömmlichen Singlebörsen suchten Frauen deshalb oft nach wohlhabenderen Männern, auf MySugardaddy werde das nur klarer kommuniziert. Außerdem genieße er die „Verschiebung des Machtgefälles“: Im Vergleich zu anderen Vermittlungsseiten seien weibliche Mitglieder auf dem Sugar-Portal deutlich in der Überzahl. Tatsächlich melden sich auf MySugardaddy.eu zu 80 Prozent Frauen an. Die Mehrheit von ihnen ist zwischen 21 und 30 Jahren, bei den Männern dominiert die Altersklasse 41 bis 50. Warum suchen über 64.000 junge Frauen in Deutschland, Österreich und der Schweiz nach einem Partner, der 20 Jahre älter ist als sie selbst?

In den USA sind die Studiengebühren immens, viele Studierende sind hoch verschuldet, wenn sie ihren Abschluss machen. Der Sugardaddy mag für manche eine Lösung sein, die sich das Studium anders nicht leisten könnten. Doch in Österreich und der Schweiz sind die Studiengebühren vergleichbar moderat, in Deutschland weitgehend abgeschafft, es gibt Bafög. 3.600 Euro geben Sugerdaddys und -mummys nach Angaben von Seekingarangement durchschnittlich im Monat für ihre Babys aus. Womöglich ist das die Erklärung.

Ana hat sich vor allem nach dem Lifestyle gesehnt, den die Beziehung zu einem Sugardaddy verspricht: reisen, „einkaufen im großen Stil“, vom Partner Geschenke bekommen, VIP-Partys. Auch für ihre Karriere verspricht sie sich Vorteile. Der Sugardaddy habe ihr bereits ein Praktikum bei einem Staranwalt in Frankreich verschafft. „Ich bekomme Kontakte, aber auch mehr Selbstbewusstsein, mich in solchen Kreisen zu bewegen“, sagt Ana.

Die meisten der weiblichen Profiltexte auf den Sugardaddy-Seiten lesen sich wie ganz normale Kontaktanzeigen: Sowieso sucht den und das. Viele betonen, dass es ihnen nicht nur ums Geld, sondern vor allem um eine emotionale Bindung geht. Einige Profile lesen sich aber ganz anders: JenJen, 22 aus Berlin hat eine kleine Tochter und sucht nach jemandem, der sie finanziell unterstützt, vielleicht ihre Miete bezahlt. „Ich mache eigentlich alles mit, außer es hat mit Höhe zu tun“, steht auf ihrem Profil. Eine 23-jährige Auszubildende aus Chemnitz schreibt: „Meine Küche fällt durch die Flut auseinander. Mein Sofa stinkt, ich habe nicht die Möglichkeiten, es allein zu schaffen. Ich bin am Ende. Und ich bin offen für alles, also wer mir helfen will, der kann dann mein Sugardaddy werden.“ Die Grenzen zur Prostitution scheinen fließend.

Kapitalistische Verwertungslogik

Den Kontakt zu Ana stellte Seekingarrangement.com her. Alle Versuche, selbst mit Frauen in Kontakt zu treten, wurden von den BetreiberInnen der Website unterbunden, die Nachrichten gescannt und das Profil umgehend gelöscht. Ana versichert, kein Geld für das Gespräch erhalten zu haben, die BetreiberInnen der Seite hätten lediglich nach Mitgliedern gesucht, die hinter dem Konzept stehen, um der Presse Auskunft zu geben. Sie habe sich freiwillig bereit erklärt. MySugardaddy.eu hingegen bietet Sugarbabys 200 Euro dafür, ein Interview zu geben, wie zum Beispiel kürzlich dem Tagesspiegel.

„Wir sorgen für die Umverteilung von Reichtum [und] für die Kultivierung unserer jungen Erwachsenen“, erklärt Seekingarrangement-Gründer Brandon Wade in einer Pressemitteilung. Thorsten Engelmann, Geschäftsführer von MySugardaddy.eu, spricht klarere Worte. Auf die Frage, warum sich auf seiner Seite – anders als auf anderen Seiten – nur Männer als Sugardaddys und nur Frauen als Sugarbabys anmelden könnten, antwortet er, dies sei nun einmal der größte Markt und gesellschaftlich am meisten akzeptiert. Zwar habe er in Planung, die Seite auf schwule Sugardaddys auszuweiten. Davon, auch Profiloptionen für reiche Frauen oder hübsche junge Männer anzubieten – ganz zu schweigen von Menschen, die sich nicht in binären Geschlechtskategorien wiederfinden – verspricht er sich wirtschaftlich aber nichts.

Heteronormativität hin oder her – die Sugar-Portale fördern eine kapitalistische Verwertungslogik innerhalb der Beziehungen. Seekingarrangement.com ist da ganz deutlich. Die Seite richtet sich an Menschen, die „mutually beneficial relationships and mutually beneficial arrangements“ suchen – also Beziehungen zum gegenseitigen Nutzen. Sind die Seiten also ein Ausdruck für ein bestimmtes Verständnis von Beziehung, das online und offline viel verbreiteter ist, als es die Mitgliederzahlen der Partnerbörsen vermuten lassen? Sowohl für Ana als auch für Ulrich besteht kaum ein Unterschied zwischen Sugar-Portalen und anderen Datingwebsites. Die Beziehungen, die daraus entstünden, seien nicht anders als die Beziehungen zu Frauen, die er außerhalb des Internets kennengelernt habe, sagt der Sugardaddy. Seine Freundinnen seien sowieso meistens zwischen 20 und 30, die seien niedlicher, neugieriger und Frauen über 40 hätten außerdem „ein Selbstbewusstsein, das sich auf nichts gründet“.

Auch User Patrick sieht das ähnlich. Seinem Seekingarrangement-Profil zufolge ist er 42 Jahre alt, sein Einkommen hat er mit 125.000 bis 150.000 US-Dollar angegeben. Auch für ihn sind asymmetrische Beziehungen Standard. Per E-Mail schreibt er: „Frauen in meinem Alter achten oft nicht sehr auf ihr Aussehen, und die, die es tun, erwarten einen hohen Lebensstandard. Wenn ich schon eine Beziehung zu einer Frau mit hohen finanziellen Erwartungen eingehe, kann ich mir ebenso gut eine jüngere suchen“, erläutert er seine Beziehungslogik.

Auch wenn alles andere käuflich ist, Liebe galt lange als das Einzige, das mit Geld nicht zu haben war. Von „Frühstück bei Tiffany“ bis „Can’t buy me love“ von den Beatles zieht sich das Motiv der Liebe wider die ökonomische Vernunft durch unzählige Kulturprodukte. Auf den Sugar-Websites wird dieses romantische Ideal nun offen und selbstverständlich beiseitegeschoben: Klar, Gefühle sind wichtig. Aber Geld, Kontakte und Aussehen eben auch. Ob Liebe tatsächlich jemals so unerreichbar vom Kapitalismus war, wie die Kulturindustrie das gern darstellt, ist die Frage. Mindestens 3.080.000 Sugardaddys und Sugarbabys weltweit stehen für eine Gruppe von Menschen, die ihr Liebesleben längst nach den Gesetze des freien Marktes gestalten.

*Name geändert

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.