Nach dem Rücktritt von Klaus Wowereit: Man muss auch mal Danke sagen

Nach 13 Jahren Amtszeit sollte für die Geschichtsbücher doch mehr bleiben als nur eine Großbaustelle. Die Berlin-Redaktion sagt: Danke.

„Mutti vons Janze“: Klaus Wowereit beim CSD 2011. Bild: dpa

… dafür, dass Sie der Stadt kein Wowereit-Denkmal hinterlassen haben. Weder in Form einer hypermodernen Kunsthalle noch einer Riesen-Landesbibliothek auf der grünen Wiese. Brauchen Sie auch gar nicht: Man wird sich trotzdem an Sie erinnern. Bis heute tragen hippe junge Leute Leinentaschen mit Ihrem Spruch „Arm, aber sexy“ herum.

… für den ersten rot-roten Senat. Das war doch ein Politprojekt, das die Einigung der Stadt vorangetrieben hat: Die Wessis schluckten die Gemeinschaftsschule, die Ossis den Abriss des Palastes der Republik und das Mauer-Gedenkstätten-Konzept.

… dafür, dass Sie uns daran erinnerten, in Berlin zu leben und nicht in Haiti. Waren wir doch auf den vereisten Bürgersteigen so oft auf den Kopf gefallen, dass wir das fast vergessen hätten.

… dafür, dass Deutschland nicht mehr nur für seine hervorragende Ingenieurskunst weltberühmt ist, sondern mindestens gleichermaßen für seinen entspannten Umgang mit Deadlines. Zum Beispiel bei Flughafen-Eröffnungen. Diese Lässigkeit hätte uns keiner zugetraut.

… dafür, dass Sie den Glamour zurück in die Stadt gebracht haben. Filmfestspiele, Modemesse, Kultur und Party: Die ehemalige Frontstadt ist, wie Sie es ja sagen, zum place to be geworden. Rollkoffer und Hostels inklusive.

… für den hervorragenden Wahlkampf gegen Renate Künast. Mit Humor („Schnappi“-Handpuppe!) und Lässigkeit verhinderten Sie Veggie-Days in den Kantinen, Tempo 30 in der Innenstadt und weitere grüne Unbill.

… dass Sie den Berlinern beibrachten, zu „sparen, bis es quietscht“. Zwar bröckelt inzwischen hier und da der Putz, aber die Stadt lebt schließlich von ihrem rauen Charme. Den lieben die vielen Touristen. Die verirren sich zwar selten in Klassenzimmer, aber den Kindern gefällt’s ja vielleicht auch. Wir verdanken Ihnen auch Thilo Sarrazin, Wächter über den rigiden Sparkurs. Der hat als Finanzsenator in Berlin seine Bühne gefunden und konnte hier in aller Ruhe Hartz-IV-Empfänger quälen.

… für viel Laisser-faire auch auf dem Wohnungsmarkt. Dank fehlender Regulierungen für Investoren und quasi null Wohnungsneubau ist es kuschelig eng geworden im Innenstadtbereich.

…. dass Sie sich offen zu Ihrer Homosexualität bekannten und dass das auch gut so ist. War zwar nur ein Satz, aber der hat mehr für die Akzeptanz von Schwulen und Lesben bewirkt als viele lange Reden.

… dafür, dass Sie die Attacken aus den bundesdeutschen Südländern abgewehrt haben, die Berlin am liebsten heute als morgen die Extrakohle aus dem Finanzausgleich streichen wollten. Grundgesetz ist Grundgesetz. Also gilt an der Spree auch weiterhin: Berlin baut, Mutti zahlt. Zumindest noch bis 2019.

… dafür, dass Sie der Länderfusion mit Brandenburg die kalte Schulter zeigten.

… dafür, dass Sie den Bleifüßen auf der Stadtautobahn A 100 drei Kilometer mehr betoniert haben. Auf die Tube drücken war ja ein Motto von Ihnen.

… dafür, dass für Sie die Rente mit 60 – wie schon für Ihren Ex-Ministerpräsidentskollegen Matthias Platzeck – keine Altersdiskriminierung bedeutet.

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