Kommentar China und Hongkong: Hongkonger Lehren

Die harte Haltung der KP Chinas macht alles nur noch schlimmer. Ihr größtes Problem wird jetzt die Wirkung der Proteste auf das restliche Land sein.

Wer am Ende im Regen steht, wird sich in Hongkong noch zeigen. Bild: reuters

Der Begriff „made in Hong Kong“ stand einst für billiges Spielzeug. Doch längst ist die Industrie der Stadt am Perlfluss auf das chinesische Festland abgewandert. Hongkong hat sich zur erfolgreichen Dienstleistungsmetropole entwickelt. Chinas Kommunisten haben die dortigen wirtschaftlichen Lehren aufgenommen und sie erfolgreich in der Volksrepublik angewandt – zuerst in Sonderwirtschaftszonen im Hongkonger Hinterland, dann im ganzen Reich der Mitte.

Doch jetzt fürchtet die Regierung in Peking nichts so sehr wie eine neue Lektion aus Hongkong: dass Chinesen und Demokratie gut zusammenpassen. Bis zu eine Million chinesische Touristen verbringen die gegenwärtigen Feiertage in Hongkong. Sie könnten sich dort trotz der massiven Zensur in der Volksrepublik am Hongkonger Demokratievirus infizieren und später zu Hause das fordern, wofür viele Hongkonger jetzt kämpfen.

Hongkongs Massenprotest für direkte Demokratie gilt schon jetzt als größte politische Herausforderung für Chinas Einparteiensystem seit der studentischen Demokratiebewegung 1989. Die wurde bekanntlich blutig niedergeschlagen. Das ist auch in Hongkong nicht auszuschließen. Aber Hongkong 2014 ist nicht Peking 1989. Die südchinesische Finanzmetropole ist extrem globalisiert und ein wirtschaftliches Nervenzentrum in Ostasien. Hier Gewalt gegen Demonstranten anzuwenden hätte Konsequenzen weit über China hinaus.

Hongkong ist auch nicht Tibet oder Xinjiang. Die Stadt und das mit ihrer Rückgabe 1997 verbundene Versprechen „Ein Land, zwei Systeme“ stehen für den Versuch, Taiwan von Chinas friedlichen Absichten zu überzeugen. Im Ringen um den Wahlmodus für den künftigen Hongkonger Regierungschef hat Peking mit seiner harten Haltung bisher nur Öl ins Hongkonger Feuer gekippt.

Die Herrschenden in Peking, die bisher nur ein Ohr für Hongkongs Tycoone hatten, haben wiederholt gezeigt, dass sie die Stimmung in der Stadt und in ihrer Jugend völlig falsch einschätzen. Damit der Konflikt nicht eskaliert, was auch zum Schaden Chinas wäre, werden sie sich ernsthaft bewegen und auch für die politischen Erfahrungen Hongkongs öffnen müssen. Der Protest hat die Stadt schon jetzt verändert und auf ein neues politisches Niveau gehoben. An dieser neuen Bedeutung von „made in Hong Kong“ kommt Chinas KP nicht vorbei.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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