Frauenfußball im Ruhrgebiet: Bochum bleibt weiblich

Der Spielbetrieb für Mädchen und Frauen beim VfL Bochum ist gesichert – für ein Jahr. Doch der Vorstand will weiter alles Geld den Männern geben.

Die Solidarität für den Frauenfußball erreichte auch die Männer: Plakat beim Zweitligaspiel des VfL gegen Darmstadt 98 Bild: Imago / Team

BOCHUM taz | „Wir haben die öffentliche Resonanz vielleicht unterschätzt.“ Hans-Peter Villis, Aufsichtsratsvorsitzender des VfL Bochum, gibt sich vor 611 Mitgliedern bei der Jahreshauptversammlung selbstkritisch und verkündet, dass es doch weiter Frauenfußball beim VfL geben wird. „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und haben die Entscheidung, die Frauen- und Mädchenabteilung aufzulösen, überdacht und revidiert.“

Dafür gab es Jubel und vereinzelt sogar Freudenschreie. Der Koordinator des Frauen- und Mädchenfußballs im Verein, Heinz-Willi Wernick, sagt: „Wir sind überglücklich, dass es erst mal weitergeht.“

Vorausgehen musste dem Zugeständnis des Vorstands allerdings eine ungewöhnlich breite Protestaktion gegen den Versuch des Vorstands, den Frauenfußball aus dem Klub zu kegeln. Auch aus anderen Vereinen gab es Solidaritätsbekundungen, Demonstrationen fanden statt, und zur Jahreshauptversammlung waren die Spielerinnen mit einem Transparent zur Jahreshauptversammlung gekommen. „Toleranz, Respekt und Fairplay. Auch WIR sind der VfL“, steht darauf. Auch Ballons und weitere Plakate waren am Abend im Audimax der Bochumer Ruhr-Universität zu sehen, wohin der Verein geladen hatte.

Doch so ganz zurückstecken möchte der Verein nicht. Der Männerfußball, der derzeit in der Zweiten Liga stattfindet, ist ihm wichtiger als der Kick der ebenfalls zweitklassigen Frauen.

Finanzvorstand Wilken Engelbracht erklärte den Mitgliedern detailliert die schwierige Lage: „Wir sind ein Verein, der finanziell auf Kante genäht ist.“ 150.000 Euro koste die Frauenabteilung jährlich. Das sei im Profifußball nicht unbedingt viel Geld, aber für einen finanziell schlecht situierten Verein wie den VfL Bochum sei es schon eine stolze Summe. Besonders, wenn man bedenke, dass die Frauen so gut wie keine Einnahmen aus Zuschauerbeiträgen erzielten.

Verein hat eindeutig vom Frauenfußball profitiert

Der Gesamtverein hat derzeit 7,5 Millionen Euro Schulden, da sind die Verluste, die die Frauenabteilung einfährt, eine vernachlässigbare Größe. Für Finanzvorstand Engelbracht jedoch stellt es sich anders da. Er rechnete vor: „150.000 Euro für uns bedeuten einen Spieler, den Christian Hochstätter unbedingt haben wollte.“ Um dem Wunsch des Sportvorstands nachzukommen, müsse Engelbracht drei oder vier Mitarbeiter kündigen. „150.000 Euro sind für diesen Verein verdammt viel Geld.“

Genau dieses Abwägen ist es, das viele Mitglieder ärgert: Ist ein einzelner Spieler für die mit mäßigem Erfolg agierende Profiabteilung mehr Wert als eine Frauenabteilung mit 120 Spielerinnen, die sich mit viel Herzblut für den Verein aufopfert? Letztlich reduziert sich das Problem, das der VfL mit dem Frauenfußball hat, auf diese Frage.

Die Kritiker des Vorstands – das sind nicht nur die Mitglieder der Frauen- und Mädchenabteilung – bringen vor, dass Engelbracht völlig den Vorteil außer Acht lässt, den der VfL bereits durch die weibliche Fraktion des Vereins hatte. Das Ruhrstadion, das mittlerweile Rewirpowerstadion heißt, war einer der Austragungsorte der Frauen-WM 2011, und auch bei der U20-WM der Frauen 2010 kam es zum Einsatz, was für den Verein erhebliche Summen an finanzieller Unterstützung bedeutete, die in den Stadionumbau gesteckt wurden: Beispielsweise wurden eine neue Pressetribüne, ein erweiterter VIP-Bereich und eine neue Bestuhlung der VIP-Tribüne wurden auf DFB-Kosten erneuert.

Hannelore Ratzeburg, Vizepräsidentin des DFB, stellt nüchtern fest: „Der Verein hat also eindeutig vom Frauenfußball profitiert.“ Zudem fördert der DFB die Bochumerinnen jährlich mit 25.000 Euro.

Zukunft des Bochumer Frauenfußballs unsicher

Das aber beeindruckt Vorstand und Aufsichtsrat des VfL trotz des anfänglich vorgetragenen Rückziehers nicht so sehr. Aus Vorstandssicht ist die Entscheidung über die Zukunft des Frauenfußballs nur vertagt. „Die Lösung aus der Sicht des Vereins sieht so aus, dass die Abteilung ein eigenes Budget aufbaut“, führte Engelbracht aus. „Wir bieten ein ganzes weiteres Jahr die Unterstützung und haben die Pflicht – zusammen mit der Politik – eine Lösung zu finden. Versprechen kann ich allerdings nichts.“

Die Jahreshauptversammlung erklärte dieser halbherzigen Zusage jedoch eine Absage. Ein Änderungsantrag kam durch, der besagt, dass die Frauenabteilung erhalten bleibt, der Vorstand eine Lösung für die finanzielle Lage finden soll und dieses Konzept mit dem Aufsichtsrat und der Mitgliederversammlung im nächsten Jahr abzustimmen ist.

Dieser Antrag, der klarer ist als die halben Versprechungen des Vorstands, wurde mit 270 Stimmen angenommen. Eine Versicherung für die Frauen- und Mädchenabteilung, die nicht nur dem Wort ihres Vorstandes vertrauen. Sollte kein passendes Konzept zustande kommen, wird es im nächsten Jahr wieder um die Zukunft des Bochumer Frauenfußballs gehen.

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