Kommentar Flüchtlinge in München: Bayerische Schlagzeilen

Bayerns Innenminister Herrmann bezeichnet Aktionen von Flüchtlingen als „Spektakel“. Dass es auch anders geht, zeigt Münchens Oberbürgermeister.

Alles geräumt: Polizei am Sendlinger-Tor-Platz in München. Bild: dpa

Ein guter Satz: „Schaut auf Bayern. Wir reden nicht nur klug daher, wir machen die Dinge auch gut.“ Das hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer im Wahlspot der CSU zur Wahl 2013 zum Besten gegeben und den Freistaat als „Vorstufe zum Paradies“ bezeichnet. Nach Deutschland Geflohene aus Kriegs- und Krisengebieten, die nach der Ankunft in überfüllten Massenunterkünften nicht viel anderes hören, als dass es für sie hierzulande keine, aber auch gar keine Perspektive gebe, können solche Äußerungen nur als geschmacklos bezeichnen.

Nicht weniger geschmacklos war die Äußerung von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der den Hunger- und Durststreik der Flüchtlinge auf dem Sendlinger-Tor-Platz in München, der am Donnerstag ein erzwungenes Ende gefunden hat, als „Spektakel“ bezeichnet hat. Wer für sein Anliegen den Hunger- und Kältetod riskiert, macht das gewiss nicht, weil er eine Show abliefern will.

Die Flüchtlinge, die gegen das Lagerwesen, die Residenzpflicht oder für ihr persönliches Bleiberecht kämpfen, werden wissen, dass sie mit derart extremen Protestformen negative Schlagzeilen riskieren. Oft genug ist ihnen unmissverständlich deutlich gemacht worden, dass sich Politik und Behörden nicht erpressen lassen. Oft genug haben sie aber auch erlebt, dass sie kaum andere Möglichkeiten haben, auf sich aufmerksam zu machen und ihre Anliegen vorzutragen.

Dass das Gesprächsangebot von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter bei den Flüchtlingen positiv aufgenommen wurde, hat auch damit zu tun, dass sich das Stadtoberhaupt im Kampf gegen die menschenunwürdige Unterbringung von Flüchtlingen in der überfüllten ehemaligen Bayernkaserne gegen die Bayerische Staatsregierung positioniert hat. Reiter hat niemandem ein Bleiberecht versprochen und doch gezeigt, dass Flüchtlinge für ihn einfach Menschen sind, um die sich Deutschland gefälligst zu kümmern hat, solange sie hier sind.

Er hat damit viele Punkte gesammelt bei all denen, die Kleider- und Sachspenden organisieren, die unentgeltlich Sprachkurse geben oder sich sonst wie dafür engagieren, dass die Angekommenen ihren Alltag bewältigen können. Wer Flüchtlingsproteste aber als emotionale Eventunkultur diffamiert, so wie es der bayerische Innenminister getan hat, muss sich nicht wundern, wenn ausländerfeindliche Manifestationen vor Flüchtlingsheimen an Zulauf gewinnen.

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