Drogenkontrolle in Ungarn: Urinieren für Fidesz und Vaterland

Mit „freiwilligen“ Drogentests an Schulen will die Regierung organisierte Kriminalität bekämpfen. Auch Politiker und Journalisten könnten geprüft werden.

So sieht laut Fidesz der Kampf gegen organisierte Kriminalität aus Bild: dpa

WIEN taz | Ungarn will dem organisierten Verbrechen durch Drogentests an den Schulen zu Leibe rücken. Antal Rogán, der Fraktionschef der regierenden Fidesz, machte die Idee vor Weihnachten quasi offiziell. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll im Februar oder März eingebracht werden. Der Parlamentarier griff einen Vorschlag seines Parteikollegen Máté Kocsis auf, der Anfang des Monats flächendeckende Drogentests bei Schülern, Politikern und Journalisten gefordert hatte.

Der ursprüngliche Plan erschien so ungeheuerlich, dass selbst hartgesottene Fidesz-Politiker eher zurückhaltend Stellung bezogen. Regierungssprecher Zoltán Kovács ging bei einem Pressegespräch in Wien zu dem Vorstoß auf Distanz. Es handle sich um keinen offiziellen Plan.

Inzwischen hat sich das aber geändert. Allerdings ist zunächst keine Rede mehr davon, dass auch Politikern und Journalisten regelmäßig Urinproben abverlangt werden sollen. Und auch in den Schulen sollen die Tests an 12- bis 18-Jährigen nur auf freiwilliger Basis erfolgen. Die Ergebnisse, so der derzeit ventilierte Vorschlag, sollen nur den Erziehungsberechtigten und dem behandelnden Arzt zur Kenntnis gebracht werden.

Ob auf einen positiven Test ein verbindliches „Beratungsangebot“ folgen soll, ist derzeit ebenso unklar wie die Palette der Drogen, auf deren Konsum getestet werden soll. Berücksichtigt man neben Cannabis noch die unter Teenagern beliebten Designerdrogen, kann es richtig teuer werden. Allein der Hasch-Test würde rund 75 Euro pro Person kosten, der erweiterte Test ein Vielfaches. Wolle man zu einem objektiven Ergebnis kommen, müssten die Tests natürlich unangekündigt stattfinden, so Antal Rogán bei seiner Pressekonferenz.

Alkohol ist die Nummer eins

Gegner des Projekts fürchten, dass der soziale Druck so groß werden könne, dass sich niemand einer solchen Untersuchung verweigern könne, ohne in Erklärungsnot zu geraten. Einwände ließ Rogán aber nicht gelten. Die Tests seien im „nationalen Interesse“ und dienten „dem Kampf gegen Drogenhandel und organisiertes Verbrechen“. Und: „Wer gegen die Tests ist, ist für Drogen …“

Die Drogentestpläne der Regierungspartei haben eine Flut von sarkastischen Kommentaren in den sozialen Netzwerken in provoziert. Auf Facebook gründete sich eine Plattform „Eine Million Urinproben für Fidesz“. Weder unabhängige Pädagogen noch Drogenexperten waren von Fidesz konsultiert worden. Solche Fachleute sehen sich aber einer Meinung mit Bürgerrechtsgruppen und fast der gesamten Opposition, die jede Art von Tests ablehnt.

Man müsse diesen „Auswuchs eines Polizeistaates, die Nötigung von Kindern und Erwachsenen und die Verletzung ihrer Rechte verhindern“, heißt es in einem Kommuniqué der liberalen Partei „Gemeinsam“. Wolle man wirklich etwas gegen Drogenkonsum und -handel unternehmen, dann wären durchdachte Hilfsprogramme gefragt.

Ungarn wird weder von den Drogenkartellen speziell ins Visier genommen, noch ist in letzter Zeit ein besorgniserregender Anstieg von Drogenmissbrauch an Ungarns Sekundarschulen verzeichnet worden. Droge Nummer eins bleibt der Alkohol. Doch eine demonstrativ harte Hand gegen Drogen ist in fast allen Staaten populär. Der Applaus des wenig gebildeten Volkes ist sicher. Daher liegt der Verdacht nahe, dass Premier Viktor Orbán versucht, mittels Law-and-Order-Parolen aus seinem Umfragetief zu finden, das ihm Sorgen zu bereiten scheint.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.