NSA-Untersuchungsausschuss: „Kann mir das nicht erklären“

BND-Chef Gerhard Schindler räumt Fehler ein, ihn selbst aber träfe keine Schuld. Derweil tauchen 450.000 neue NSA-Selektoren auf.

Fehlt nur noch der Heiligenschein: der BND-Präsident vor dem Untersuchungsausschuss. Bild: dpa

BERLIN taz/dpa | Seit Wochen wird er die Affäre nicht los, am Donnerstagabend beförderte sie BND-Präsident Gerhard Schindler vor den NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag. Interne Prüfungen in seinem Haus seien „unzureichend“ gewesen, gestand Schindler dort.

Der BND-Chef steht im Zentrum der jüngsten Geheimdienstaffäre. Wann wusste er von den Versuchen der NSA, mithilfe des deutschen Dienstes auch europäische Politiker und Firmen auszuspähen, wollten die Abgeordneten wissen. Was tat er dagegen? Wann informierte er das Kanzleramt?

Schindler begann seine Aussage mit einem Kurzvortrag. Er trage die Verantwortung, „salopp gesagt für alles“, räumte der BND-Chef ein. Tatsächlich sei die Überprüfung der NSA-Selektoren, mit denen der BND seit 2005 seine Daten durchsuchte, „von Anfang an unzureichend gewesen“. Auch drei Hinweise von Mitarbeitern an die BND-Spitze 2010 und 2011, dass sich darunter Begriffe befänden, die sich gegen deutsche Interessen richteten, seien „ohne Reaktion“ geblieben. „Ich kann mir das nicht erklären.“

Schindler selbst aber machte klar, dass die Fehler vor seiner Zeit lagen. Über aktuelle Selektoren-Funde sei er nicht informiert worden – so viel Verantwortung übernahm dann doch nicht. Statt dessen hob er zur Vorwärtsverteidigung an: Der BND brauche das Wissen und die Technik anderer Dienste. „Wir sind abhängig von der NSA, nicht umgekehrt“, so Schindler. Gleichzeitig sei der BND derzeit „so leistungsfähig wie schon lange nicht mehr“.

Auch der Leiter der BND-Abteilung für Technische Aufklärung hatte zuvor im Ausschuss erklärt, nicht von den fragwürdigen NSA-Spähversuchen von seinen unterstellten Mitarbeitern unterrichtet worden zu sein.

Neue Selektoren identifiziert

Das Ausmaß der Affäre ist indes immer noch nicht geklärt. Laut den Grünen sind inzwischen neue Spählisten aufgetaucht. Nach Angaben des Spiegel hätten Beamte BND-Rechnern in Pullach in den vergangenen Wochen bislang unbekannte Dateien mit amerikanischen Spähzielen aufgespürt.

Die nun identifizierten Dateien aus den Jahren 2005 bis 2008 umfassten 459.000 sogenannte Selektoren, mit denen unter anderem europäische Institutionen, hochrangige politische Persönlichkeiten und Firmen im Ausland ausspioniert werden sollten, berichtete Spiegel online. Nur 400 Selektoren wurden den Angaben zufolge aussortiert.

Die neuen Dateien zeigten, dass das Interesse der Amerikaner an Wirtschaftsunternehmen womöglich weitaus größer war, als bislang angenommen. Bisher war lediglich bekannt, dass die Rüstungsunternehmen EADS und Eurocopter sowie französische Diplomaten von der NSA mit Hilfe des BND überwacht werden sollten.

Eine baldige Offenlegung der Listen scheiterte am Donnerstag erneut. Ein Antrag der Opposition im NSA-Ausschuss, das Kanzleramt möge bis zum 1. Juni erklären, wie es mit den Listen umgehen wolle, wurde von Schwarz-Rot abgewiesen. Die Regierung liebäugelt mit einem Sonderermittler, der exklusiv Einblick bekäme. „Da machen wir nicht mit“, sagte der Grüne Konstantin von Notz. So leicht werde man sich seine Rechte nicht „abverhandeln“ lassen.

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