Mit fünfzig frei

HAUSBESUCH Michael Horbach ist Multimillionär und für eine Reichensteuer. Seine erste Liebe scheiterte am Timing

VON PASCAL BEUCKER
(TEXT) UND THEKLA EHLING (FOTOS)

Köln, Südstadt. Wormser Straße, ein altes Industriegebäude, versteckt in einem Hinterhof. Zu Besuch bei Michael Horbach (63).

Draußen: Früher residierte in dem Backsteinbau die Reiterstaffel der Kölner Polizei, anschließend eine Großwäscherei – heute sind darin die „Kunsträume“, ein Galerie- und Atelierkomplex auf 1.500 Quadratmetern. Michael Horbach erwarb ihn 2010.

Drin: Zu Horbachs Privaträumen geht es durch fünf Ausstellungsräume und vier Kabinette mit Gegenwartskunst: Werke junger Künstler und aus seiner Sammlung, dazwischen eigene Fotos aus Kuba, die er im Bildband „Mein Cuba“ veröffentlicht hat. Kuba sei Lebensfreude, sagt Horbach, „bunt und weiblich“. Im Wohnzimmer Schwarz-Weiß-Fotos von Alberto Korda, darunter das berühmte Che-Guevara-Bild.

Was macht er? „Meine Arbeit besteht jetzt darin, für die von mir gegründete Stiftung zu arbeiten“: Michael Horbach ist Kunstsammler, Kunstmäzen, Fotograf, Galerist und Gutmensch. Mit seiner Michael-Horbach-Stiftung, gegründet 2000, fördert er Projekte für Menschen in Not. Er unterstützt den Bau einer Schule für körperbehinderte Kinder in Nepal oder stiftet Fahrräder, die an bedürftige Familien in Uganda verteilt werden.

Was denkt er? „Es kann nicht sein, dass eine Krankenschwester, die gesellschaftlich wertvollste Arbeit leistet, von ihrer Arbeit kaum leben kann, während einer, der mit Aktien oder Hedgefonds rumjongliert, zehn Millionen Euro im Jahr verdient.“ Wo die Marktwirtschaft nicht funktioniere, sondern nur noch „Machtwirtschaft“ sei, habe der Staat die Aufgabe, „dies zu korrigieren“. Horbach ist für einen ordentlichen Mindestlohn, eine Reichensteuer, die Wiedereinführung der Vermögensteuer und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 53 Prozent. „Warum soll heute nicht möglich sein, was zu Zeiten Helmut Kohls noch möglich war?“ Horbach, mehrfacher Millionär, meint das ernst – auch aus eigennützigen Motiven: „Wenn die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht, haben auch die Reichen nichts mehr davon, weil sie dann nur noch in goldenen Käfigen leben können.“ Wen er bei der Bundestagswahl gewählt hat? „Ich gebe gerne zu: Ich habe diesmal die Linke gewählt, weil ich denke, die übernehmen eine Funktion, die vor zwanzig Jahren die Grünen übernommen haben.“

Michael Horbach: Aufgewachsen mit zwei jüngeren Geschwistern, der Vater Pflasterer, die Mutter Hausfrau. „Ich weiß, was das heißt, wenn der Vater in der Woche mit nur 120 D-Mark in der Lohntüte nach Hause kommt.“ Als Student ist er in den undogmatisch-linken „Basisgruppen“ aktiv. „Wir haben Marx gelesen, das Wenigste natürlich verstanden.“ Mit 23 macht er sich als Finanzberater für Akademiker selbstständig. In wenigen Jahren wird daraus eine Firma mit mehreren Hundert Mitarbeitern. 2000, zu seinem fünfzigsten Geburtstag, verkauft er die „Horbach Wirtschaftsberatung“ für etliche Millionen Euro. Warum? „Mit fünfzig wollte ich frei sein.“ Sein Ziel: „Nie mehr für Geld zu arbeiten.“ Einen Teil seines Geldes spendet er, eine Million Euro etwa an die Stiftung „Menschen für Menschen“. Mit der gleichen Summe gründet er seine Stiftung. Den Großteil hat er als „Grundsicherheit“ in einem Ethikfonds angelegt. Der werfe zwar wenig Rendite ab, aber investiere nicht in „schäbige Sachen“ wie die Rüstungsindustrie.

Das erste Date: „Gabi hieß sie, vergess ich nie.“ Mit ihr war er an der „Raupe“ auf der Kirmes verabredet. Horbach war 14 und jobbte auf einer Kegelbahn als Kegelaufsteller. Ausgerechnet an diesem Tag musste er länger ran als geplant. „Ich kam zwei Stunden zu spät, da hatte sie leider schon einen anderen.“ Er habe sehr gelitten.

Die Hochzeit: „Das war Naivität.“ Als er mit 19 zur Bundeswehr einberufen wurde, riet ihm der Vater seiner damaligen Freundin: „Heirate meine Tochter, und du bekommst mehr Sold.“ Es ging nicht lange gut. „Ich wusste nicht wirklich, was Liebe ist.“ Der gemeinsame Sohn Tim wuchs bei der Mutter auf, inzwischen arbeitet er bei ihm. Auch Horbachs zweite Ehe scheiterte. Seit drei Jahren lebt er mit der iranischen Künstlerin Pari Moradi.

Der Alltag: Aufstehen um 7 Uhr, eine Viertelstunde Frühsport, vor allem Dehnübungen. Nach dem Frühstück zwei bis drei Stunden am Schreibtisch: mailen, telefonieren, Ausstellungen vorbereiten. Mittagessen macht Lebensgefährtin Pari. Am Nachmittag noch mal drei bis vier Stunden Arbeit. „Dann kommen auch Künstler und stellen ihre Sachen vor.“ Abends mit dem Fahrrad in ein Restaurant in der Umgebung. Viel in seiner Finca auf Mallorca – oder auf Reisen.

Wie finden Sie Merkel? „Eigentlich fällt mir schwer, ihr was Negatives zu unterstellen, also dass sie bewusst eine Politik macht, die daneben ist.“ Ihre Politik sei aber keine, „die diese riesige Schere zwischen Arm und Reich packt und ändert“.

Wann sind Sie glücklich? „Hier hoppelt jeden Tag ein Eichhörnchen durch den Garten, das ist einfach ein schöner Augenblick.“

Nächstes Mal treffen wir den Fischer Andreas Zietemann und seine Familie auf Rügen. Sie wollen auch besucht werden? Mailen Sie an hausbesuch@taz.de