Mordanschläge in Bangladesch: Ein Klima der Angst

Die Existenz des Islamischen Staates im Land ist nicht bewiesen. Trotzdem ist der religiös begründete Terror ein Problem.

Mit Palakaten trauern Demonstranten um den ermordeten Japaner Kunio Hoshi

Trauer um die Ermordung des Japaners Kunio Hoshi. Foto: ap

BERLIN taz | Steckt die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) hinter der Ermordung zweier ausländischer Entwicklungshelfer in Bangladesch? Ja, lautet die Antwort des Unternehmens Site Intelligence Group aus dem US-Bundesstaat Maryland, die islamistische Webseiten auswertet. Laut Site hat sich der IS zur Ermordung des Italieners Cesare Tavella am 28. September in Dhaka und des Japaners Kunio Hoshi im Norden des Landes fünf Tage später bekannt.

Beide wurden 300 Kilometer voneinander entfernt auf die gleiche Art getötet: Drei Maskierte Männer erschossen sie am helllichten Tag im Vorbeifahren von einem Motorrad aus.

Site ist die einzige Quelle für die Selbstbezichtigung des IS. Die Regierung, die sich um den Ruf des Landes sorgt und wirtschaftliche Einbußen befürchtet, dementiert die Täterschaft der Terrormiliz wie überhaupt deren Existenz im Land. „Das ist absoluter Quatsch, es gibt keinen IS in diesem Land, auf gar keinen Fall“, erklärte Innenminister Asaduzzaman Khan.

Premierministerin Sheikh Hasina machte sogleich die oppositionelle Bangladesh Nationalist Party (BNP) und ihren islamistischen Bündnispartner Jamaat-e-Islami für die Morde verantwortlich. Sie seien Teil einer Verschwörung, um das „Image des Landes zu beschmutzen“. Beweise legte Hasina nicht vor. Die Polizei hat in beiden Fällen noch keine heiße Spur.

„Todesliste“ mit 21 Namen von Bloggern

Die Morde haben unter Ausländern im Land ein Klima der Angst verbreitet. Vor allem westliche Einrichtungen haben ihre Sicherheitsvorkehrungen verstärkt und Mitarbeiter angewiesen, sich möglichst nicht in der Öffentlichkeit aufzuhalten. Australiens Cricket-Mannschaft sagte eine einmonatige Rundreise durch Bangladesch ab.

Innenminister Khan

„Es gibt keinen IS in diesem Land, auf gar keinen Fall“

Vergangene Woche gab es dann einen weiteren Mordanschlag auf einen Baptisten-Pastor in der nordwestlichen Stadt Iswardi. Drei junge Männer, die vorgaben, sich für das Christentum zu interessieren, stachen plötzlich auf ihn ein. Seine Frau kam ihm zu Hilfe und die drei flohen. Die Polizei nahm später fünf Männer fest, die zur verbotenen Gruppe Jamaat-ul-Mujahideen (JMB) gehören sollen.

Für die Existenz eines IS-Ablegers in Bangladesch gibt es bisher keinen Beweis. Doch die Polizei hat in den letzten zwölf Monaten selbst 15 Männer festgenommen, die sich laut der Ermittler entweder dem IS anschließen wollten oder für diesen in Bangladesch rekrutiert haben sollen. Unter den Festgenommen waren mutmaßliche Mitglieder von JMB und anderen verbotenen Organisationen. Dies berichtete kürzlich die Zeitung Daily Star.

Ende September erregte in Bangladesch eine „Todesliste“ mit 21 Namen von Bloggern Aufsehen. Als Urheber gilt die Gruppe Ansarullah Bangla Team (ABT), die der Bewegung Ansar al-Islam nahesteht, die als Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida gilt. Die Liste ist ernst zu nehmen, weil in diesem Jahr bereits vier Blogger ermordet wurden. Sie hatten sich prominent gegen religiösen Extremismus ausgesprochen und standen zum Teil auch auf Todeslisten.

Die Regierung reklamiert Fortschritte: 2015 habe es erst 37 terroristische Morde gegenüber 404 im Jahr 2013 gegeben. Für die Bedrohten ist das nicht wirklich beruhigend, zumal die Regierung die Meinungsfreiheit der Blogger nicht uneingeschränkt verteidigt.

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