Krieg in Syrien: Attacken und Allianzen

Russische Luftschläge richten sich meist nicht gegen den IS, behaupten die USA. Assads Bodentruppen rücken derweil im Westen Syriens vor.

Raketenabschuss von einem Schiff

Auch die russische Marine kämpft in Syrien mit. Foto: ap

DAMASKUS/BEIRUT/WASHINGTON rtr/dpa/afp | Syrische Regierungstruppen und verbündete Milizen haben mit Unterstützung der russischen Luftwaffe am Donnerstag weitere Rebellenstellungen im Westen Syriens unter Beschuss genommen. Die heftigen Angriffe hätten Aufständischen in der strategisch wichtigen Ghab-Ebene gegolten, teilte die oppositionelle Syrische Beobachterstelle für Menschenrechte mit. Kämpfer des Islamischen Staats (IS) halten sich dort nicht auf.

Die syrische Armee sprach von einer Großoffensive, um Gebiete unter Kontrolle von Aufständischen zu befreien. Die Beobachterstelle berichtete von einem Sperrfeuer von Boden-Boden-Raketen begleitet von Angriffen russischer Kampfjets. Auch sollen Kämpfer aus dem Libanon und dem Iran beteiligt sein.

Die Ghab-Ebene grenzt an eine Bergkette, die das Kernland der alawitischen Glaubensgemeinschaft an der Westküste bildet, zu der Präsident Baschar al-Assad gehört. Eine Rebellen-Allianz unter Beteilung des Al-Qaida-Ablegers Nusra-Front hatte das Gebiet Ende Juli erobert und die Regierungstruppen zum Rückzug gezwungen.

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, russische Kriegsschiffe hätten am Mittwochabend vom Kaspischen Meer aus Ausbildungs- und Munitionslager sowie Kommandozentralen des IS in Syrien angegriffen. Mehrere Kreuzer hätten elf Stellungen der Terrormiliz bombardiert, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Mittwoch. Genaue Ortsangaben machte das Ministerium zunächst nicht.

Am Mittwoch hatte Syrien gemeinsam mit Russland eine Offensive gegen Aufständische im Westen des Bürgerkriegslands eingeleitet. Bei den Angriffen in der Provinz Hama, wo sich auch die Ghab-Ebene befindet, seien keine strategischen Erfolge erzielt worden, erklärte die Beobachterstelle. In den Gefechten seien mindestens 13 syrische Soldaten und sieben Rebellen getötet worden.

Nato will Türkei schützen

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sicherte der Türkei unterdessen zu, die Allianz sei zur Entsendung von Truppen zum Schutz der südlichen Grenze bereit, sollte es dort zu Bedrohungen kommen. Am Wochenende hatten russische Kampfflugzeuge bei ihren Angriffen in Syrien den türkischen Luftraum verletzt und damit heftige Kritik der Nato auf sich gezogen.

Jens Stoltenberg

„Die Nato ist bereit und in der Lage, alle Verbündeten zu verteidigen, darunter auch die Türkei.“

Stoltenberg nannte die russischen Luftangriffe „Grund zur Besorgnis“. Mit Blick auf die Verletzung des türkischen Luftraums am Wochenende ergänzte vor einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel: „Die Nato ist bereit und in der Lage, alle Verbündeten zu verteidigen, darunter auch die Türkei.“ Zugleich forderte er Russland auf, eine konstruktive Rolle im Kampf gegen den IS einzunehmen. Dies sei nicht der Fall, solange Russland Assad unterstütze.

In Brüssel beraten am Donnerstag die Verteidigungsminister der Nato-Staaten über die für sie besorgniserregenden Ereignisse im Nahen Osten. Ein Thema sind die russischen Luftangriffe auf Ziele in Syrien.

Russland hat seine Luftangriffe zur Unterstützung von Assad vor einer Woche gestartet und erklärt, sie dienten der Bekämpfung des IS. Der Westen wirft der Führung in Moskau aber vor, zumeist gegen andere Aufständische vorzugehen, darunter gemäßigte Gruppen.

Russische Luftschläge gegen Opposition gerichtet

Das zu belegen versuchen nun die USA: Mehr als 90 Prozent der bisher von den USA registrierten russischen Luftangriffe in Syrien gelten nicht der Terrormiliz IS oder Terroristen, die mit Al-Qaida verbündet sind. Dies sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby, am Mittwoch in Washington. Die Luftschläge seien weitgehend gegen Oppositionsgruppen gerichtet, die eine bessere Zukunft für Syrien wollten und die gegen einen Verbleib des Regimes von Präsident Baschar al-Assad an der Macht seien.

Die USA passten ihre Militärstrategie mit Ausweichmanövern an die russischen Angriffe an. In mindestens einem Fall habe ein US-Kampfflugzeug seinen Kurs geändert, um eine „sichere Trennung“ von russischen Maschinen zu gewährleisten, sagte Marine-Kapitän Jeff Davis im Pentagon. Wie nah die Flugzeuge sich kamen sowie wann und wie oft es bisher zu Ausweichmanövern kam, sagte Davis nicht.

Über die Flugbahnen russischer Marschflugkörper seien die USA nicht informiert worden, sagte Davis. Dass Russland diese im Kaspischen Meer positioniert habe, sei aber „keine Überraschung“.

Schoigu sagte, Russland sei bereit, ein Militärabkommen mit den USA über den Einsatz in Syrien zu treffen. Putin wies den Minister an, sich mit den USA, der Türkei, Saudi-Arabien, dem Irak und dem Iran abzustimmen. Zugleich forderte der Präsident die Führung in Washington auf, mit dem russischen Militär für Luftangriffe in Syrien Informationen über Stellungen der Terroristen zu teilen.

US-Verteidigungsminister Ashton Carter stellte am Mittwoch klar, dass es keine Zusammenarbeit mit Russland bei den Luftangriffen in Syrien gebe. „Wir haben keiner Kooperation mit Russland zugestimmt“, sagte er in Rom. Moskau verfolge in Syrien „die falsche Strategie“ und beschieße Ziele, an denen sich keine IS-Kämpfer aufhielten. Zuvor hatte das russische Verteidigungsministerium angegeben, US-Vorschläge zu einer Koordinierung der Angriffe zu prüfen.

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