Wettbewerb der Berlinale: Staubtrockene Liebesstudie

Betulich und substanzlos: Denis Cotés „Boris sans Béatrice“ scheitert trotz spannenden Themas - und hat einen Widerling als Protagonist.

Schauspielerin Simone-Élise Girard

Simone-Élise Girard in „Boris sans Béatrice“. Foto: Julie Landreville/ Berlinale

Ein schlanker Mann im dunklen Anzug, mittleres Alter, ernster Blick, wartet im hohen Gras auf die Ankunft eines Helikopters. Wie eine Skulptur seiner selbst steht er zunächst noch auf der Wiese; aber im Sturm, den die sich nähernden Rotoren um ihn entfachen, kann er sich kaum halten.

So erscheint Boris in diesem Film: als schwankende, in seinem Stolz und seinem Stehvermögen gefährdete Gestalt, als Mängelwesen, wie der dazu geblendete Titel lakonisch feststellt. „Boris sans Béatrice“ (Regie: Denis Coté) berichtet von einem eitlen und steinreichen Unternehmer, der die schwere depressive Erkrankung seiner Frau (Simone Élise-Girard) mit Affären und Egozentrik zu kompensieren sucht.

Diesem humorlosen Zeitgenossen, dessen elitäres Gehabe im Alltag zu Dauerkonflikten führt, sieht man ungern 90 Minuten lang beim Durchleben einer existenziellen Krise zu.

Variantenarm gespielt

15. 2., 12.30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele, 21.30 Uhr Acud-Kino, 21. 2., 17 Uhr Friedrichstadtpalast.

Boris, von James Hyndman wenig variantenreich verkörpert, fühlt sich bald von einem seltsamen Fremden (gewohnt absonderlich: Denis Lavant) verfolgt, der alles über ihn zu wissen scheint und ihm erklärt, dass die Krankheit der Ehefrau eine Folge seiner Kaltherzigkeit und nur durch seine sofortige Rückkehr zu Empathie zu kurieren sei. Die Liebe Boris’ zu seiner Frau und das einstige Glück zu zweit, das in knappen Rückblenden aufblitzt, bleiben ungedeckte Behauptungen des Drehbuchs.

Als sich Boris, gegen seine Natur, um Ehrlichkeit und Verantwortungsgefühl bemüht, erwacht die Gemahlin aus ihrer Katatonie. So verwandelt sich das Drama eines Widerlings in ein Planspiel der Schuld und eine Parabel über die Heilkraft der Herzlichkeit.

Um die Betulichkeit seines Unterfangens zu kaschieren, verkünstelt Coté seinen Film mit „mysteriösen“ Montagen und ein bisschen exzentrisch gesetzter Musik. „Boris sans Béatrice“ ist eine überformalisierte, zur Allegorie verdrehte Tragikomödie angeschlagener Beziehungsmoral, in der die handelnden Personen Funktionsträger in einer staubtrockenen Verbindlichkeits- und Liebesstudie sind.

Immerhin ist Bruce LaBruce am Start

Etliche Szenen dieser Inszenierung sind wohl hintergründig-komödiantisch gemeint, aber bloß umständlich erzählt; zähe Dialoge und die schlichte Kameraarbeit sorgen nicht gerade für Spannungsmomente – vom eigenwilligen Frauenbild Cotés ganz abgesehen: Der Emotionshaushalt seiner Heldinnen definiert sich stets direkt über den begehrten Mann.

Immerhin der Kurzauftritt der Queer-Porn-Legende Bruce LaBruce als (ausgerechnet) Kanadas Premierminister beglückt – weist indes überdeutlich darauf hin, wie sehr es diesem Film an komischer Energie und narrativer Substanz mangelt.

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