Wein-Ernte in Deutschland: Bio-Winzer wollen Pestizid

Pilze haben in diesem Jahr die Reben befallen. Die Branche befürchtet Ernteausfälle. Nun soll ein bislang verbotenes Mittel helfen.

Ein Weinberg

Hier schenkt man sich reinen Wein ein: Weinberg an der Unstrut Foto: dpa

BERLIN taz | 6. Juni 2016: Die Lage ist extrem gefährlich. 9. Juni: Es herrscht Alarmstufe Rot. 20. Juni: Die Situation bleibt äußerst kritisch. Diese Hinweise für Öko-Weinbauern verschicken derzeit die Behörden in Rheinland-Pfalz. Der Grund: Die heftigen Regenfälle der vergangenen Wochen haben die Pilzerkrankung Peronospora, auch bekannt als falscher Mehltau, sprießen lassen.

Konventionelle Winzer setzen gegen den Pilz Kaliumphosphonat ein. Doch die synthetisch hergestellte Verbindung ist von der EU seit 2013 als Pflanzenschutzmittel gelistet und darf von Biobetrieben nicht mehr verwendet werden. Vorher war Kaliumphosphonat als Pflanzenstärkungsmittel zugelassen.

Viele Öko-Winzer bangen nun um ihre Ernte – und sind damit in ihrer Existenz bedroht. Sogar die im Bio-Weinanbau oft verwendeten pilzresistenten Weinstöcke sind befallen. Das genaue Ausmaß des Schadens lasse sich noch nicht beziffern, meint Ralph Dejas, Geschäftsführer des Bundesverbands Ökologischer Weinbau Ecovin.

Laut Umfragen des Marktforschungsinstituts GfK kaufen etwa 7 Prozent der Deutschen Bio-Weine. Die Bundesrepublik hat 7.200 Hektar Bio-Rebfläche, das sind 7 Prozent der Gesamt­rebfläche für Weinanbau. Die größten deutschen Biowein-Anbauflächen liegen in Rheinland-Pfalz: 5.400 Hektar.

Kaliumphosphonat sei unbedenklich, sagen Bio-Verbände

Das Weingut Brüder Dr. Beck in der Nähe von Mainz ist einer der betroffenen Betriebe. „Die Peronospora ist überall“, sagt Ko-Chefin Lotte Pfeffer-Müller, die auch den taz-shop beliefert. Wahrscheinlich wird sie einen Kredit aufnehmen müssen, um Bio-Trauben in diesem Jahr zuzukaufen.

Die Notlösung für einige Betriebe: Das Land Rheinland-Pfalz startete in der vergangenen Woche einen wissenschaftlichen Großversuch zum Einsatz von Kaliumphosphonat gegen den falschen Mehltau für Öko-Betriebe. Jetzt können Bio-Winzer auf einem Teil ihrer Flächen das Mittel einsetzen, verlieren damit allerdings den Bio-Status für den dort gewonnenen Wein und europäische Fördermittel. Ob die Versuchsflächen jetzt noch helfen, ist unklar, weil die Hauptblütezeit der Weinstöcke in vielen Regionen vorbei ist und in der Bio-Landwirtschaft das Mittel nicht mehr nach der Blüte eingesetzt werden darf.

Zukunft des Pestizidverbots bleibt unklar

Obwohl der EU seit 2014 eine Experteneinschätzung von Kaliumphosphonat vorliegt, hat der zuständige Ausschuss noch keine Entscheidung getroffen, ob das Mittel auf der Verbots-Liste bleibt. Inzwischen unterstützen auch Bundesminister, konventionelle Bauern und die Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (Ifoam) das Anliegen der Öko-Weinbauern, das Mittel zuzulassen. Der deutsche Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) bezeichnet Kaliumphosphonat als „für Mensch und Umwelt vergleichsweise unbedenklich“.

Die Europäische Kommission sieht die Verantwortung auf der nationalen Ebene: „Die aktuellen Probleme in Deutschland für Öko-Winzer sind auf die strengeren Richtlinien beim Einsatz von Kupfer zurückzuführen, die über dem europäischen Standard liegen.“

Tatsächlich versucht Lotte Pfeffer-Müller, ihre Trauben mit Kupfer zu retten, das als Pflanzenstärkungsmittel auch für den Bio-Landbau zugelassen ist. Doch von dem umweltschädlichen Schwermetall darf sie nur 3 Kilogramm pro Jahr und Hektar verwenden. Dieses Jahr könnte es knapp werden, und das Mittel hilft kaum gegen den Pilz. In südlichen Ländern wie Italien und Frankreich sind 6 Kilo jährlich pro Hektar zugelassen.

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