EMtaz: Viertelfinale: Wales – Belgien: Underdragons locker weiter

Belgien raus! Eine Lokomotive namens Wales überollt milchgesichtige Belgier. Und steht hochverdient im Halbfinale. Ein Traum.

Waliser Spieler feiern nach Einzug in das Halbfinale

Kollektiv schlägt Individualismus. Wenigstens im Fußball hat der Sozialismus eine Chance Foto: dpa

Die Startbedingungen: Viertelfinale: Das beste britische Team trifft auf das beste, weil einzige Benelux-Team dieser EM. Fish and Chips gegen Pommes mit Waffeln. Das Weiterkommen der Waliser wäre eine Sensation, den Namen nach ist das belgische Team atomiumhoher Favorit. Deswegen ist die Strategie der Waliser relativ einfach zu erklären: verteidigen, kontern. Gareth Bale und Aaron Ramsey waren bislang an jedem Tor der Waliser beteiligt.

Belgien steigerte sich bislang wie eine richtige Turniermannschaft. Von Spiel zu Spiel gab es mehr zu sehen. Im Achtelfinale schlugen sie Ungarn gar mit 4:0, dem bisher höchsten Sieg der EM. Allerdings gibt es auch Probleme in der Innenverteidigung: Vertonghen hat sich im Abschlusstraining verletzt und Vermaelen ist wegen einer Gelb-Sperre draußen. Zwei 21-Jährige müssen in der Innenverteidigung starten. Überhaupt läuft Belgien heute als U-25 auf. Es ist die jüngste Startelf des Turniers. Netter Funfact: Neben Romelu Lukaku darf heute auch sein Bruder Jordan spielen. Der Sieger muss sich dem Ekelfußball von Portugal im Halbfinale stellen. Das kann niemand wirklich wollen.

Das Vorurteil: Die Waliser Fans singen schön. Aber trotzdem ist ihre Nationalmannschaft reines Fallobst. Und Belgien macht sich nicht mal die Mühe, es überhaupt aufzuheben. Zermalmt das matschig-braune Obst mit Stahlstollen, ohne es überhaupt zu bemerken. Verlässt endlich den Geheimtipp-Status mit dem Einzug ins Halbfinale. Darf dann endliche die ganz großen Stadien spielen.

Das Spiel: Startet gleich furios. Erst eine belgische Dreifach-Großchance in der 6. Minute, dann immerhin ein recht gefährlicher Torschuss von Gareth Bale. Belgien bleibt unbeeindruckt: In der 13. sorgt Radja Nainggolan per Fernschuss-104-Stundenkilometer-Traumtor für Speichelfluss bei Fußball-Feinschmeckern. Warum er vor dem walisischen Strafraum in etwa so viel Platz hat wie Meckerrentner beim B-Klassen-Fußball, ist schwer zu erklären. Doch Wales schert das Gegrantel wenig: Nach einer Ecke und ansehnlicher Lokomotiven-Variante (siehe entscheidender Moment) macht der Waliser Ashley Williams in der 31. Minute den Ausgleich. Danach ist die jugendliche Elf der Belgier so verunsichert wie ein Teenager, der am Autoscooter seinen ersten Korb bekommen hat. Eine Führung der Waliser wäre dank einiger guter Chancen nicht mal unverdient.

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Die zweite Halbzeit beginnt wie die erste: Gefährliche Schüsse der Belgier Kevin de Bruyne und Eden Hazard. Sie gehen mit ihren Chance in etwa so schlampig um wie österreichische Wahlhelfer mit Wahlzetteln. Ganz anders Wales: Die machen einfach das 2:1. No Way(les)! Stichwort: Underdragon. Hal Robson-Kanu bekommt in der 55. im Strafraum den Ball und lässt Marouane Fellaini und Thomas Meunier aussehen wie zwei Slalomstangen. Versenkt den Ball dann locker im Tor. Alberto Tomba gefällt das. Danach versucht Belgien nochmal alles. Hat noch Chancen von De Bruyne (64.) und Fellaini (74.), aber in der 85. macht Sam Vokes das 3:1 für Wales per wunderbarem Kopfball. Belgien out. Bloody hell. C'Mon Wales!

Ergebnis: 3:1 gewinnt Wales und zieht ins Halbfinale gegen Portugal ein.

Der entscheidende Moment: Ecke für Wales in der 31 Minute. Wie Rugby-Spieler stellen sich die Waliser bei ihrer ersten Ecke in einem Pulk auf, um die junge belgische Innenverteidigung derart zu verwirren, dass Williams komplett frei zum Kopfball kommt und souverän verwandelt. Oder wie es Oliver Schmidt nennte: die waliser Lokomotive. Ist notiert.

Der Spieler des Spiels: Aaron Ramsey. Bereitete die ersten beiden Treffer der Waliser vor und hat mit insgesamt vier Vorlagen zusammen mit Eden Hazard die meisten im Turnier. Fürs Halbfinale gelbgesperrt.

Die Pfeife des Spiels: Absolut großartiges Spiel. Deswegen: Die Musikauswahl der Öffentlich-Rechtlichen. Die Mark-Foster-Musik im Vorspann des ZDF sorgt nach öfterem Hören für akuten Würgereiz im Halsbereich. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie den Programmchef oder reichen Beschwerde beim Rundfunkrat ein.

Das Urteil: Waliser singen schön. So viel stimmt zumindest. Doch Wales überraschte komplett. Football, bloody hell. Und Belgien? Bleibt leider der Geheimtipp, der sich nie aus den schwitzigen, kleinen Klubs herausspielen konnte. Ist verdammt zum Dasein als ewige Vorband für wirklich große Musiker. Zum Beispiel die Manic Street Preachers mit ihrem Song: „C'Mon Wales“.

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