Anarchist über Wissenschaft: „Es soll immer um Revolution gehen“

Drei Tage lang beleuchtet ein Kongress in Hamburg „Anarchistische Perspektiven auf die Wissenschaft“. Es geht darum, herrschaftsfrei zu denken, sagt ein Veranstalter.

Hoch konzentrierte AnarchistInnen: hier beim internationalen Treffen 2012 in St. Imier Foto: dpa

taz: Mikhail, Wissen und Herrschaft sind untrennbar verknüpft. Wie passen dann Anarchie und Wissenschaft zusammen?

Mikhail: Es stellt sich die Frage: Was wird vermittelt und wie wird es vermittelt? An der Uni ist es meist unmittelbar verwertbares Herrschaftswissen. Da ist vorne der Prof, und ihm gegenüber die armen Bachelorschweine, die sich Wissen in den Kopf drücken, um es auf Knopfdruck abzurufen. Die lernen für die freie Wirtschaft, und da gelten klare Regeln: Wachstum, Profitmaximierung und stählerne Ellbogen. Fragen, die grundsätzliche Realitäten infrage stellen, können da nicht entstehen.

Wie sieht dagegen eine anarchistische Herangehensweise aus?

Übergreifend zu denken und versuchen, herrschaftsfrei zu denken. An Unis ist das Lernen klar in Fachbereiche aufgeteilt. Das ist nicht besonders schlau – man wird zu einer Monoamöbe. Man vergisst, dass die Welt groß ist und sich Sachen gegenseitig beeinflussen. Das zu berücksichtigen, ist eine anarchistische Herangehensweise. Der Vater der Reformpädagogik, Francisco Ferrer, hat gesagt: „Lass uns rausgehen, die meisten Fragen kommen dann von selbst.“

Beim Kongress gibt es eine Tagesordnung. Da steckt ja schon das Wort Ordnung drin. Ist das nicht zu herrschaftstragend?

Nein. Wir wollen nicht das Chaos, sondern wir sagen: Anarchie ist die beste Ordnung, die es gibt.

51, heißt eigentlich anders und ist Teil des Kongress-Orga-Teams.

Die Vorlesungen klingen ziemlich anspruchsvoll. Das sieht mir nicht gerade frei für jeden aus, sondern eher ausschließend.

Ist es aber nicht. Wir machen den Kongress jetzt zum zweiten Mal und hatten letztes Jahr ein breites Spektrum an AkademikerInnen und NichtakademikerInnen, auch aller Altersklassen. Das kann man schon so machen.

„Anarchistische Perspektiven auf die Wissenschaft“, 28.-30. Oktober, Uni Hamburg. Mehr Infos: http://anarchie.userblogs.uni-hamburg.de/

Was wollen Sie erreichen?

Den anarchistischen Gedanken weiterzutragen. Anarchie und Wissenschaft sind in Deutschland noch nicht so entwickelt miteinander. In England ist das ganz anders. Letztendlich sollte es immer um die Revolution gehen. Aber dann fängt man halt erst mal mit einem Wissenschaftskongress an.

Wie sieht Ihre Utopie einer freien und anarchistischen Stadt Hamburg aus?

Sie hätte keinen Bürgermeister und keine Senatoren. Es gäbe kein oben und kein unten, es wäre eine Stadt, in der die Menschen in friedlicher Koexistenz leben und lernen. Es würde keine Polizei und keine Herrschaft geben. Die Leute würden – nicht würden, sondern werden – glücklich und kreativ sein, aufeinander zugehen, voneinander lernen und voneinander leben. Das ist es ganz grob.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.