Begegnung mit dem Kanzler-Ex: Herr Merkel aus Dresden

Angela Merkel steht als Kanzlerin im Rampenlicht. Ihr Ex-Mann ist Physiker. Er lobt die Flüchtlingspolitik, hat aber auch Verständnis für Pegida.

Eine Frau, Angela Kasner, in einer Schwarz-Weiß-Aufnahme

Angela Kasner im Sommer 1973. Danach ging sie zum Studium nach Leipzig, wo sie Ulrich Merkel kennenlernte Foto: dpa

DRESDEN taz | Die Nöthnitzer Straße ist die Informatiker- und Physikermeile in Dresden. Hier sitzen ein Max-Planck-Institut, ein Leibniz-Institut, die Informatik-Fakultät und das Institut für Halbleiter- und Mikrosystemtechnik der Technischen Universität Dresden. Dort, in einem schlichten Flachbau, arbeitet ein älterer Mann: der Physiker und TU-Angestellte Ulrich Merkel. Er ist kein Karrierephysiker. Er hat nicht promoviert und hangelt sich bis heute, mit 64 Jahren, von Sechsmonats- zu Dreimonatsverträgen.

Dass er für ein paar Jahre der Ehemann der späteren Kanzlerin war und ihr seinen Namen gab, spielt in der nüchternen Physikerszene keine Rolle. In ihrer Fachsprache würde man wohl sagen: Es ist eine zu vernachlässigende Größe.

Jetzt aber ist es doch wieder Thema. Am Dienstag ließ sich Angela Merkel auf einem Parteitag als CDU-Vorsitzende wiederwählen. Dass sie 2017 Spitzenkandidatin wird, hat sie bereits angekündigt.

Ulrich Merkel wird regelmäßig von Journalisten kontaktiert. Dann wollen sie wissen, wie es denn so war damals: War Angela Merkel überzeugte FDJ-Funktionärin? Warum trennte sie sich von ihm? Höflich lehnt er alle Anfragen ab. Seit seine ehemalige Frau Kanzlerin ist, hat er keine Interviews gegeben. Das letzte ist von 2004. Auch Anfragen der taz lehnte Merkel ab.

„Sie packte ihre Sachen“

In den siebziger Jahren hatten sich Ulrich Merkel und Angela Kasner im Studium in Leipzig kennengelernt, später arbeiteten sie an der Akademie der Wissenschaften in Berlin-Adlershof. 1981 trennte sich Angela Merkel von ihm. „Eines Tages packte sie ihre Sachen und zog aus unserer gemeinsamen Wohnung aus“, sagte Ulrich Merkel im Interview von 2004.

Ulrich Merkel

„Es war richtig, dass sie Mitmenschlichkeit gezeigt hat“

Bei einem spontanen Besuch in seinem Dresdner Büro spricht er schließlich doch, zumindest ein bisschen. Seine Stelle gehört zur Professur für Halbleitertechnik. Hier forscht man über die Werkstoffe für Mikrochips und Solarzellen. Merkel, der Nichtpromovierte, verfolgt keine eigenen Forschungsprojekte, sondern betreut einzelne Aufgaben im Labor. Ab und zu erscheint sein Name in Fachaufsätzen, die sein Professor zusammen mit seinen Mitarbeitern schreibt.

Alter Eheklatsch soll nicht interessieren, dafür die Frage, wie Merkel zur Flüchtlingspolitik seiner Exfrau steht. Dass sie im Sommer 2015 die Grenzen offen hielt, findet er gut. „Man kann sagen, dass sie mit ihrer Flüchtlingspolitik zum ersten Mal eine werteorientierte Politik gemacht hat. Es war richtig, dass sie Mitmenschlichkeit gezeigt hat“, sagt Merkel. Den Satz mit der werteorientierten Politik relativiert er sofort: „Wenn es läuft, gibt es eigentlich auch keinen Grund, korrigierend einzugreifen.“

Den Namen Merkel kennen auf der Welt Millionen. Im Sommer 2015 hielten Flüchtlinge auf den Bahnhöfen „Merkel“-Schilder hoch, Eltern aus Syrien und Afrika gaben ihren Neugeborenen aus Dankbarkeit den Vornamen Merkel. In Dresden dagegen erzeugt der Name bei vielen Hass. Jeden Montag brüllen Pegida-Demonstranten: „Merkel muss weg!“

Verständnis für Pegida

Den Mann, der der Kanzlerin den Namen gab, betrübt das nicht. Er hat sogar etwas Verständnis für die Demonstranten, wenn auch nicht für deren Sprache. „Wer im Niedriglohnsektor arbeitet, wird natürlich eher mit Flüchtlingen um Arbeitsplätze konkurrieren.“ Merkel schränkt aber ein: „Den meisten geht es doch relativ gut in Sachsen.“

Er selbst stammt aus dem Vogtland in Westsachsen. Seine eigene berufliche Lage ist prekär. Wenn ein befristeter Vertrag ausläuft, ist ein Anschlussvertrag nicht automatisch sicher. An Universitäten können jahrelang befristete Verträge aufeinanderfolgen. Dennoch ist Ulrich Merkel entspannt. „Theoretisch könnte ich keinen Anschlussvertrag mehr bekommen. Aber von Arbeitslosengeld könnte ich wohl auch leben.“

Der stämmige Mann, der im ausgeblichenen Holzfällerhemd in seinem schlichten kleinen Büro sitzt, muss ein zufriedener Mensch sein: Er ist freundlich, zahlreiche Lachfältchen haben sich um Mund und Augen eingegraben. Ebenso freundlich beendet er das Gespräch: „Mehr möchte ich aber nicht sagen.“

Ulrich Merkel und die Kanzlerin ähneln sich bis heute in einem Punkt: Auch Angela Merkel macht sich, folgt man den Biografien über sie, wenig aus Geld und materiellem Status. Bodenständig macht sie Urlaube in Südtirol und in ihrem Ferienhaus in der Uckermark. Was jedoch den Ehrgeiz angeht, unterscheiden sich beide eindeutig. Ihre ziemlich unterschiedlichen Lebenskonzepte kann man sich innerhalb einer Lebensgemeinschaft nur schwer vorstellen. Wenn die Kanzlerin bei der Bundestagswahl 2017 erneut als CDU-Spitzenkandidatin antritt, wird Ulrich Merkel im selben Jahr oder ein Jahr später in Rente gehen.

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