Nach der Offensive in Aleppo: Kein Brot, nur Brunnenwasser

Drei Wochen nach Beginn der Offensive gegen die Rebellengebiete ist die Versorgungslage prekär. Ein Apotheker berichtet aus seiner Stadt.

Eine Menschenmenge steht an einer Mauer, viele strecken die Hände aus, während ein kleines Paket mit kyrillischer Aufschrift herübergereicht wird

Russisches Hilfspaket für evakuierte Syrer aus Ost-Aleppo Foto: reuters

KAIRO taz | Der Teil Ost-Aleppos, der noch von den syrischen Rebellen kontrolliert wird, wird täglich kleiner. Am Wochenende eroberten die Regimetruppen das Viertel Taril Al-Bab. Seit dem Beginn der Offensive vor drei Wochen haben die Rebellen nach Angaben des syrischen Militärsprechers General Samir Sulaiman die Hälfte der von ihnen zuvor kontrollierten Gebiete der Stadt verloren.

Nach UN-Schätzungen sollen bis zu 30.000 Menschen aus der Stadt geflohen sein. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura schätzt, dass noch über 100.000 Einwohner im Osten der Stadt leben. Andere Quellen sprechen sogar von 200.000 Menschen.

Es ist schwer, mit jenen Kontakt aufzunehmen, die in Ost-Aleppo ausharren. Einer von ihnen ist Hussam Al-Ali, der mit Hilfe von WhatsApp-Audio-Nachrichten kommuniziert, wenn es Strom und Zugang zum mobilen Internet gibt. Der Apotheker versucht, Erste-Hilfe-Stationen zu koordinieren, nachdem alle großen Krankenhäuser bombardiert worden sind.

„Wir haben Teams, die Verwundete zu Hause besuchen, um ihre Verbände zu erneuern, wenn es ihnen nicht möglich ist, selbst in eine Klinik zu gehen. Unsere improvisierten Kliniken können nur wenige Stunden am Tag arbeiten, weil unaufhörlich bombardiert wird, und jeder Ort, an dem sich Menschen versammeln, kann zum Ziel werden“, erzählt er.

Hussam ist vom Pech verfolgt. „Ich komme ursprünglich aus Rakka. Dort bin ich vor dem IS geflohen und dann hier in Aleppo gelandet. Von meiner Familie sind nur meine Frau und mein Sohn hier“, fasst er seine Lage zusammen. „Ich habe hier in den letzten Wochen sieben meiner engen Freunde verloren, zehn weitere sind verletzt worden“, fügt er hinzu.

Manche Produkte sind um das Fünfzigfache teurer geworden

Die Versorgungslage wird immer schlechter. Es mangelt vor allem an Brot. „Zwei Bäckereien wurden vollständig zerstört, eine weitere liegt jetzt in dem vom Regime besetzten Gebiet. Bleibt uns nur noch eine Bäckerei, sie liegt aber in einem Viertel, das ständig unter Beschuss ist, vor Kurzem gab es dort ein großes Massaker. Die Bäckerei kann nur wenige Stunden am Tag arbeiten, sonst wird auch sie zur Zielscheibe.“ Die Märkte bieten nur an, was noch auf Lager ist, und Lebensmittel, die in der Stadt selbst angebaut werden.

„Die Dinge, die noch zu kaufen sind, werden immer teurer. Manche Produkte sind um das Fünfzigfache teurer geworden.“ Wasser gebe es nur aus den Brunnen, schildert Hussam. „Ich muss jetzt gleich Wasser auffüllen für den Haushalt, das bedeutet mindestens eine Stunde Arbeit. Ich habe trotzdem Glück, dass wir in unserem Haus überhaupt einen Brunnen haben“, lautet eine seiner Audio-Botschaften. Strom werde mit Generatoren erzeugt, aber nicht mehr als drei Stunden am Tag.

Pläne, die Stadt zu verlassen, hat er nicht, auch wenn der russische Außenminister Sergei Lawrow erneut erklärt hat, dass Russland bereit sei, mit den USA über einen Abzug der verbliebenen Rebellen zu verhandeln. „Die Menschen leben in ständiger Angst, auch die, die den Ostteil verlassen haben. Wir trauen dem Regime nicht, wenn sie Fluchtkorridore anbieten. Das Regime würde uns ein oder zwei Wochen in Frieden lassen, dann aber würden die Köpfe rollen“, glaubt der Apotheker.

Wie lange Hussam noch durchhalten kann, hängt nicht nur vom Frontverlauf ab, sondern auch davon, wann die Versorgung Ost-Aleppos endgültig zusammenbrechen wird. „Ich persönlich kann vielleicht noch zehn Tage durchhalten. Ich würde sagen, so geht es zwei Drittel der Stadtbewohner. „Der Rest“, meint er, „hat etwas mehr Vorräte, die können maximal einen Monat durchhalten.“

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