Petition gegen Rainer Wendt: Keine Bühne für den Sheriff

Der Chef der Polizeigewerkschaft redet viel Quatsch. Damit muss Schluss sein – fordert ein Polizist. Journalisten sollten Wendt keine Plattform mehr bieten.

Rainer Wendt und zwei weitere Männer

Grinsemonster Rainer Wendt zu Besuch im Atomkraftwertk Kalkar Foto: Volker Wiciok

Es ist in Zeiten, in denen jeder Trampel einfach einen Tweet absetzen kann, reichlich anachronistisch, für jemanden einen Maulkorb zu fordern. Das weiß auch Oliver von Dobrowolski. Trotzdem macht er es. Dass die Reaktionen dann so heftig ausfielen, hat ihn überrascht, sagt er.

Aber von Anfang an. Von Dobrowolski sammelt Unterschriften gegen Rainer Wendt. Wendt ist Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), in der Öffentlichkeit so etwas wie der Sheriff vom Dienst und für seine rechtspopulistischen Ausfälle bekannt. Oliver von Dobrowolski ist Kriminalbeamter in Berlin und Zweiter Bundesvorsitzender von PolizeiGrün, einem relativ jungen Bündnis von Polizisten, die den Grünen nahestehen – und die sich für eine weltoffene, tolerante und diskriminierungsfreie Polizei einsetzen.

„Keine Bühne mehr für Rainer Wendt (DPolG) – er spricht nicht für die ganze Polizei!“ So lautet die Petition, die Oliver von Dobrowolski ins Netz gestellt hat. Es ist die einzige, die sich auf change.org an „Medienschaffende in Deutschland“ richtet. Und wer sie unterzeichnet, setzt sich dafür ein, dass von deutschen PolizistInnen ein besseres Bild gezeichnet wird.

Repräsentative Thesen

Denn, so lässt sich die lange Begründung verstehen, durch seine mediale Omnipräsenz kann man die ausgefallenen Thesen des Gewerkschaftschefs als repräsentativ für den ganzen Polizeiapparat halten. Und es wäre wirklich gefährlich, wenn alle deutschen PolizistInnen es für das Beste hielten, gegen De­mons­tran­ten Gummigeschosse einzusetzen oder an den deutschen Grenzen einen Zaun gegen Flüchtlinge zu errichten.

In einem Tweet, mit dem Oliver von Dobrowolski auf seine Petition aufmerksam machte, sprach er von „postfaktischer Omnipräsenz“ des Gewerkschaftsbosses. Er sorgt sich um das Ansehen der Polizei.

Der Konflikt: Reiner Wendt ist mit seinem markigen Sprüchen zum Sprachrohr der deutschen Polizei geworden

Das wollen die Initiatoren: Mehr Meinungspluralismus

Das wollen sie nicht: Wendt das Wort verbieten

Das wollen sie eigentlich: Das Ansehen der Polizei verbessern

Zu finden unter: change.org

Darum ging es nun allerdings gar nicht in den Reaktionen, die der grüne Polizeifunktionär auslöste. „Angriff auf die Meinungsfreiheit“, „Zensur“, „Denunziant“ hallen die wütenden Rufe, allesamt aus der rechten Ecke. Neben der Epoch Times und der Jungen Freiheit schaltete sich auch die Exbürgerrechtlerin Vera Lengsfeld auf „Die Achse des Guten“ ein, dem Blog, der von Hendryk M. Broder betrieben wird, dem unerreichten Profi des absichtlichen Missverständnisses.

Weil Zensurverdächtigungen heute so ermüdend oft fallen, braucht es doch einmal eine Klarstellung: Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht gegenüber dem Staat, und Zensur gibt es nur, wenn staatliche Stellen sie ausüben.

Sonst aber ist es schon immer eine Frage der Aufmerksamkeitsökonomie gewesen, seine Posi­tio­nen unter die Leute zu bringen, die von Angebot und Nachfrage genauso bestimmt wird wie jeder andere Wirtschaftszweig. Oliver von Dobrowolski sagt, er wollte mal einen anderen Zugang zur Öffentlichkeit ausprobieren.

Man kann es auch so sehen: Er versucht über eine Unterschriftenaktion zu ermitteln, ob es nicht auch noch andere Verbraucherinteressen gibt oder die Marke „Wendt“ tatsächlich die Marktführerschaft im Segment „Law & Order“ verdient hat. Oder in seinen Worten: Es geht ihn um „die Wiederherstellung eines echten Meinungspluralismus, auf die qualitative Verbesserung der Berichterstattung gerade aus diesem sensiblen Bereich der Innen- und Sicherheitspolitik.“

Nichts Konkretes

Und seine Petition hat dafür einige Vorschläge, aber leider keine konkreten Alternativen. Sie weist darauf hin, dass es auch andere Berufsvertretungen der Polizei mit kompetenten Gesprächspartnern gibt. Und darüber hinaus in den Parlamenten innenpolitische Experten, teilweise mit polizeilichem Hintergrund.

„Mitnichten“ will er seine eigene Organisation als Ersatz ins Gespräch bringen, was ja nahe liegt und auch viele Kritiker mutmaßen. Den Inhalten auf der Website von PolizeiGrün fehlt zwar angenehmerweise jede reißerische Phrase, zu ak­tuel­len Themen bezog die Organisation aber auch schon länger keine Stellung mehr.

Oliver von Dobrowolski lässt seine Petition im Netz. „Die Reaktionen bestärken mich in der Annahme, dass die in der Petition formulierten Befürchtungen vollends zutreffend sind.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.