Laden verkauft aussortierte Lebensmittel: Die Zukunft der Krumm-Möhre

Zu klein, zu groß, zu knubbelig: Manches Obst und Gemüse schafft es nicht in einen normalen Supermarkt. In Köln gibt es nun einen eigenen Laden dafür.

Eine Frau hält eine l-förmige Möhre

Klein und knubbelig: Nicole Klaski mit einer interessanten Möhre Foto: dpa

KÖLN dpa | Nicole Klaski ist gerade eine gefragte Frau. Und das verwundert sie selbst. „Wir sind ein bisschen überwältigt“, sagt sie. Das brasilianische Fernsehen sei schon da gewesen. Ihre Geschichte stehe auf einer chinesische Webseite. Ein wenig verrückt ist das schon. Sie hat doch nur einen kleinen Laden aufgemacht, etwa 30 Quadratmeter im Kölner Stadtteil Ehrenfeld.

Aber Klaski hat mit ihrem Lädchen offenkundig einen Nerv getroffen. Sie verkauft dort seit Anfang Februar Lebensmittel, die es in der Regel nicht in den klassischen Handel schaffen, weil sie nicht den Normen entsprechen: krumme Möhren etwa, oder ganz kleine Kartoffeln. Sie schmecken natürlich nicht schlechter, bekommen aber oft keine Chance in der Obst- und Gemüseabteilung. Klaski gibt sie ihnen. Der Kölner Reste-Laden gehört damit zu einer der neusten Erscheinungen einer jungen Szene, die aussortierte Lebensmittel retten will. Immer mal wieder machen Projekte damit auf sich aufmerksam. Sie heißen „Schnippeldisko“ oder „Restlos Glücklich“ in Berlin – oder „The Good Food“. So heißt der neue Kölner Laden.

Klaski hat nicht nur krummes Gemüse im Sortiment, sie verkauft auch Lebensmittel, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, zum Beispiel Bier. „Das Thema Lebensmittelverschwendung ist einfach eingängig“, sagt sie. Jeder habe sich vielleicht schonmal darüber geärgert, wenn etwas im Kühlschrank vergessen wurde und dann abgelaufen ist. Oder man habe einfach mal gelesen, wie viel weggeschmissen wird. Etwa diese Zahl: Jährlich landen elf Millionen Tonnen Nahrung in Deutschland nach einer Studie für das Ernährungsministerium von 2012 im Müll.

Der Laden hat verschiedene Bezugsquellen. Gemüse etwa wird bei einem Bauern nachgeerntet. „Er könnte es selbst ernten. Aber er weiß genau: Später kriegt er es nicht verkauft, weil seine Handelspartner strikte Richtlinien haben“, sagt Klaski. Die Kartoffeln zum Beispiel. „Er weiß genau, was zu groß, zu klein, zu knubbelig ist“. Das sind dann Fälle für ihr Team. Sie holen ab, was bei der Sortiermaschine durchs Raster fällt. Anders ist es etwa bei Porree – da müssen sie selbst aufs Feld und einsammeln, was die Arbeiter liegen lassen.

Feste Preise gibt es in dem Laden nicht. „Zahl, was Du möchtest“ steht auf mehreren Schildern. Das soll auch heißen: Was es Dir wert ist. Vielen sei ja gar nicht mehr klar, welche Arbeit Bauern leisteten, sagt Klaski. Sie entwickelte die Idee nach einem Auslandsaufenthalt in Nepal. Zurück in Köln wurde ihr bewusst, wie verschwenderisch in Deutschland mit Ressourcen umgegangen wird. Aktuell lebt „The Good Food“ noch von viel Idealismus. Das komplette Team arbeitet ehrenamtlich. Es sollen aber echte Stellen entstehen.

Wohin mit Unförmigem?

Was kein Gemüse ist, kommt etwa von Firmen, die ihre Produkte aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr verkaufen wollen oder können – etwa weil sie bald ablaufen oder schon abgelaufen sind. Da ein Mindesthaltbarkeitsdatum aber kein Verfallsdatum ist, kann sie der Laden anbieten. Die Kunden müssen aber darauf hingewiesen werden.

So neu der Laden ist, so alt ist eigentlich die Frage, die hinter der Idee steckt: Was können Bauern auch aus Unförmigem noch machen? Es gebe natürlich bereits einige Absatzformen, die nicht an Handelsnormen gebunden sind, sagt Jochen Winkhoff von der Fachgruppe Gemüsebau im Bundesausschuss Obst und Gemüse. Zum Beispiel den Hofladen. Was nicht den Normen entspreche, gehe auch in die Verarbeitung und werde zum Beispiel zu Saft. Beschädigte oder unförmige Möhren landen oft als Futter bei Pferden.

Der Handel wolle Produktnormen, sagt Winkhoff. Das habe auch seine Gründe – sie seien Orientierungshilfe. Wenn der Einzelhandel etwa in Spanien Gurken bestelle, wolle er sichergehen, dass er genau die Ware bekommt, die er haben will. „Dafür braucht man Normen“, sagt Winkhoff. „Bei uneinheitlicher Warenpräsentation würde der Verbraucher vermutlich die Regale stark durchwühlen.“

Klaskis Sortiment jedenfalls ist auch schon reichlich ausgedünnt an diesem Tag. „Vielleicht machen wir noch einen Laden auf“, sagt sie.

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