Prozess gegen Filialleiter wegen Totschlag: Urteil soll am Montag fallen

Ein Filialleiter soll einen Ladendieb so geprügelt haben, dass dieser kurz darauf starb. Nun erwartet André S. sein Urteil.

Prozess gegen Filialleiter

Das Urteil gegen den Angeklagten soll am Montag fallen. Foto: dpa

Eine Kamera dokumentierte die Tat, die Staatsanwalt Ralph Knispel in seinem Plädoyer mehrfach als „menschenverachtend und zynisch“ bezeichnet: Am Morgen des 17. September 2016 hatte der Filialleiter André S. wieder mal einen Ladendieb erwischt. Mit einem Mitarbeiter führt er Eugeniu B. ins hintere Getränkelager. Nicht nur das Überstreifen der Quarzsandhandschuhe ist für André S. Routine, wenn er einen obdachlosen ausländischen Dieb entdeckt hat: Eugeniu B. kniet vor ihm, sein Kopf fliegt zur Seite, als die behandschuhte Faust geräuschvoll seine Nase trifft.

Der vor Schmerzen stöhnende Dieb wird zum Hinterausgang hinausgeschoben. Drei Tage später erliegt er seinen schweren Kopfverletzungen. Am kommenden Montag nun wird eine Schwurgerichtskammer des Berliner Landgerichts das Urteil über André S. verkünden. Der 29-Jährige hofft inständig, das Gericht möge nicht ausschließen, dass noch etwas anderes als seine Schläge den Tod von Eugeniu B. verursachte. Er hofft, nicht wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt zu werden, sondern mit einer Bewährungsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung davonzukommen.

Ganz unwahrscheinlich ist das nicht, schließlich war der Verstorbene bereits am 10. September in der ebenfalls vom Angeklagten und seiner Familie betriebenen Edeka-Filiale im Bahnhof Südkreuz verprügelt worden. Als er dann vor André S. hockte, muss der Filialleiter das blau verfärbte Auge seines Opfers noch bemerkt haben.

Deshalb hält der rechtsmedizinische Gutachter drei Szenarien für denkbar: Entweder waren es allein die Verletzungen vom 10. September, die zeitversetzt zum Tode führten. Oder die Schläge vom 17. September beförderten die Verletzungen vom 10. September. Schließlich könnten auch nur die letzten Schläge todesursächlich gewesen sein.

Vor diesem Hintergrund sind die Zeugenaussagen wichtig. In seinem Plädoyer zitiert der Staatsanwalt die Cousine von Eugeniu B., die der Verstorbene am Nachmittag des 17. September aufsuchte. „Man hat mich zusammengeschlagen wie einen Hund. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so geschlagen worden“, soll er zu ihr gesagt haben. Bis zum nächsten Morgen hätte sich sein Zustand rapide verschlechtert.

„Denktheoretisch“ könne man fragen, ob B. vor seinem Tod noch weitere Schläge kassiert habe oder gestürzt sei, meint Knispel. Anhaltspunkte gebe es dafür aber keine. Für eine Entscheidung im Sinne der Anklage müsse auch kein spezifischer Zusammenhang nachgewiesen werden: „Vorsatz und Erfolg dürfen nur nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegen.“ Das Geschehen sei „Ausdruck der gelebten Aggressivität und Gewaltbereitschaft des Angeklagten“ und soll nach Willen des Anklägers mit vier Jahren Haft geahndet werden.

Scheinbar tief beeindruckt erhebt sich André S. Er entschuldigt sich bei der Witwe seines Opfers, sagt, dass er die Schläge bereue. Schon jetzt schäme sich der werdende Vater dafür, „dass ich irgendwann meiner Tochter erzählen muss, dass ich jemanden geschlagen habe und mich dafür vor Gericht verantworten musste.“

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