Kolumne Jung und dumm: Für die Menschen

Wahlwerbespots sind die Königsdisziplin der Demokratie – und doch oft verrätselt, vor allem für Erstwähler. Unser Autor übersetzt, was sie bedeuten.

Ein Einhorn und eine Frau auf der Bühne

Hier sehen Sie: Politik Foto: dpa

Politik ist wie Einhörner: manchmal völlig unverständlich. Zwinker, hihi. Doch zum Glück habt Ihr mich, liebe Teens und Twins, liebe ERSTWÄHLER, ey, gebt mir ne Faust. Krass. Hallo, ich heiße Adrian (für Euch auch: Big A) und ich kann freihändig Straßenbahn fahren, arbeite als taz-Gesinnungsterrorismusexperte (hups, pups, langes Wort – denkt einfach an einen Emoji Eurer Wahl) und ich bin für Euch da, wenn Ihr mich braucht.

Also z.B. jetzt. „Was soll ich nur wählen?“, fragt Ihr erschöpft, seid Ihr doch Erstwähler und sowieso voll am Ausrasten, weil Euer Lieblings-Youtube-Star bald auch im Shoppingzentrum der Kleinstadt, in der Ihr wohnt, Duftkekse verkauft, und das Internet wieder, und überhaupt. Aber Ihr seid nicht allein – auch ich bin ERSTWÄHLER und weiß daher, wie Ihr Euch fühlt (Weltschmerz, existentielle Verlorenheit, Probleme mit Waschmaschinen).

Deshalb habe ich mir (wem sonst, haha) den Auftrag gegeben, Euch und Eure Spießereltern mutig durch den Dschungel der Inhalte und Forderungen zu guiden wie ein nasses Hippo durch die Wüste des Geschmacks. Und wie ginge das besser als mit Wahlwerbespots? Klar: Auch, ja, vor allem die sind oft voll rätselhaft, mysterious und awkward. Was wollen die uns nur sagen, diese Politiker? Ich sage es Euch.

CDU: Für ein Deutschland, in dem wir heute schon wie gestern denken können. Was wir morgen fordern, ist uns heute doch egal – Hauptsache, Sie legen Ihre Zukunft an das Herz der Chancen der Arbeit gut und gerne mal. Das gibt es nur bei Tchibo.

Grüne: Also jetzt mal ehrlich: Wir wissen, wie man weiße Schrift auf Bewegtbilder klatscht, wie man die vorwärts und dann rückwärts abspielt und zwei Audio-Tracks aufeinanderlegt, wir haben Tiere und Kinder und Umwelt, wir haben tolle Metaphern, Yuppies, Fistbumps und einen halbnackten Sumoringer von hinten. Nur kein Thema.

SPD: Wie viel Zeit hab ich? Anderthalb Minuten. Oh, 90 Sekunden. In 90 Sekunden kann ich achtundzwanzig Mal albern von einer Fabrikhalle weg auf die Kamera zulaufen. Denn nur eine gerechte Gesellschaft verträgt meinen Swag. (Ehrlich jetzt, voll funky Musik, oder? Psst, haben wir im Radio gefunden.)

FDP: Haartransplant und Speed und Schnee, bis ich weiße Lichter seh! Hui!

CSU: Ich bin Horst Seehofer und man hat mir da Urin in mein Trinkglas neigfüllt, deshalb is des so gelb da drin. Net, dass Sie da was Falsches von mir denken: Ich woas davon scho. Ich find des aa guat. Richtig, richtig guat.

Linke: Es geht doch nur noch um Gewinne und um Profite und es wird überhaupt nicht danach geguckt, ob jemand dabei auf der Strecke bleibt, zum Beispiel unterprivilegierte Laiendarsteller, die in etwas langatmigen „Die Linke“-Wahlwerbespots auf episches Theater für Arme machen müssen.

Piraten: Hallo, wir bimsons, die voll funnky Digidroddel. Neuland unso, hihihi! Witzig, weil, die Merkel hat doch damals… hallo? Sind Sie noch da? Wir ham so Schwarzweißoptik, hey, das ist modern und kühl – „cool“ heißt des doch heude, net wahr? Hihihi. Außerdem fällt bei Pferdeschwanzträgern der Männerspliss dann nicht so auf. Hiergeblieben! Mama, wählst Du uns denn wenigstens?

NPD: Wir wollen zurück ins Mittelalter.

V-Partei: Wenn Sie uns nicht wählen, bringen wir uns um.

AfD: Großdeutschland braucht wieder eine Partei. Nicht rechts, sondern sehr rechts. Frau Merkel hat einen Goldesel, der will, dass mein Mundgeruch von der Landkarte verschwindet. Nicht mit der AfD!

Magdeburger Gartenpartei: Für mehr Grün, grüne Welle, grüne Pfeile, grüne Renten, grüne Pillen, grüne Neune, grünes Blinzeln, grüne Diäten, grüne Bürger, grüne Produkte, grüne Anzüge (Tipp: öfter mal Colorwaschmittel), grüne Gärten, grüne Augen, grüne Kinder, grüne Wurst, grüne Büroklammern, grüne Bücher, grüne Beschriftungen bei Aldi, grüne Stimmen, grüne Geister.

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Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.

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