Türkische Offensive in Syrien: 15-Punkte Plan für Journalisten

Ein Leitfaden für die Medien und Drohungen gegen Demonstranten: Die türkische Regierung versucht, Kritik an der Afrin-Offensive zu unterbinden.

Zwei türkische Panzer fahren über Land

Wie wird über die „Operation Olivenzweig“ berichtet? Die türkische Regierung will Einfluss nehmen Foto: dpa

BERLIN taz | Während die türkische Armee mit Panzern in die kurdische Enklave Afrin im Nordwesten Syriens vorrückt, versucht die Regierung in Ankara, das Narrativ über den Angriff in der türkischen Öffentlichkeit zu formen. Die Regierungspartei AKP instruierte Medieneigentümer, wie sie über die „Operation Olivenzweig“ zu berichten haben, und versuchte, Proteste der Zivilbevölkerung gegen die Militäroffensive zu unterbinden.

Der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım traf sich am Sonntag in Istanbul mit Eigentümern türkischer Medien und stellte eine 15-Punkte-Liste als Leitfaden für die Berichterstattung vor. „Wir sind ein demokratisches Land und verschiedene Stimmen sind möglich“, stellte Yıldırım voran. Doch während die Augen der Weltöffentlichkeit auf die Türkei gerichtet seien, sei es wichtig, zusammenzustehen, betonte er.

In dem 15-Punkte-Plan über die „Operation Olivenzweig“ hält die türkische Regierung Journalisten an, zu betonen, dass „die Militäroffensive allein gegen Terrororganisationen“ gerichtet sei. Zugleich solle in den Vordergrund gestellt werden, dass das Militär darauf achte, Zivilisten bei den Angriffen zu schützen. Außerdem mahnt das Papier zur Vorsicht bei gegen die Türkei gerichteten Berichten von ausländischen Nachrichtenquellen, insbesonders bei Quellen der kurdischen Milizen und des sogenannten „Islamischen Staats“ (IS).

Journalisten sollten weiterhin herausstellen, dass sich die Militäroperation in Afrin nicht nur gegen die kurdischen Milizen, sondern auch gegen den IS richte. „Von der PKK und ihrem politischen Arm“ – gemeint ist hier die prokurdische Partei HDP – geplante Proteste gegen die Militäroffensive seien nicht in den Vordergrund zu stellen, heißt es in dem Papier.

Proteste unterbunden

Die Türkei sieht die Kurdenmiliz YPG, die von den USA unterstützt wird, als syrischen Ableger der in der Türkei als Terrororganisation verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die Regierung fühlt sich von der starken Präsenz der YPG an der türkisch-syrischen Grenze bedroht, da sie fürchtet, sie könne Unabhängigkeitsbestrebungen von Kurden im eigenen Land anfachen. Bereits vor Monaten hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan gedroht, nach der Idlib-Operation stehe Afrin bevor. Die Türkei könne „eines Nachts plötzlich kommen und zuschlagen“.

Am Sonntag warnte Erdoğan auf einem Parteikongress in Bursa davor, gegen die Militäroperationen zu protestieren. Wer auf die Straße gehe, werde einen hohen Preis dafür bezahlen, sagte er. Auf Twitter schrieb Erdoğan, die Türkei müsse für das Fortbestehen der Nation „den Kopf der Schlange zerquetschen“. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hatte zuvor klargestellt: „Jeder, der sich gegen die Afrin-Operation der Türkei stellt, unterstützt Terroristen.“

Zahlreiche Protestierende wurden festgenommen

Dementsprechend hart ging die Polizei am Sonntag gegen Proteste in Istanbul vor. Im asiatischen Stadtteil Kadıköy blockierten Sicherheitskräfte eine von der Initiative „Friedensblock – Koordination gegen den Krieg“ organisierte Demonstration. Nach Berichten türkischer oppositioneller Medien wurden 12 Demonstrierende wegen „Propaganda für PKK/PYD“ festgenommen. Auch im Istanbuler Stadtteil Avcılar wurde Medienberichten zufolge eine Demonstration unterbunden. Zahlreiche Protestierende wurden festgenommen.

Wegen Äußerungen in sozialen Medien über die Militäroffensive in Afrin sind zudem mindestens 24 Menschen festgenommen worden. Ihnen werde „Terrorpropaganda“ vorgeworfen, teilte das Innenministerium in Ankara am Montag mit.

US-Außenminister Rex Tillerson zeigte sich am Sonntag besorgt über die Folgen der türkischen Offensive gegen kurdische Milizen im Nordwesten Syriens. Vor allem die Situation unschuldiger Zivilisten gebe Anlass zur Sorge, äußerte Tillerson nach Gesprächen mit seinen Amtskollegen in der Türkei und in Russland in einer Mitteilung. Die USA riefen die Türkei auf, ihre Militäroperationen zurückhaltend auszuüben und zivile Opfer zu vermeiden.

Der UN-Sicherheitsrat will nach Angaben des französischen Außenministers Jean-Yves Le Drian am Montag in New York zu Konsultationen zusammenkommen. Le Drian hatte demnach zuvor mit seinem türkischen Amtskollegen Çavuşoğlu gesprochen und einen umfassenden Waffenstillstand und bedingungslosen Zugang für Hilfsorganisationen gefordert. Deutschland warnte vor unkalkulierbaren Risiken.

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