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Nabu-RankingKreuzfahrt mit reinem Klima-Gewissen bleibt Traum

Die Branche wirbt mit „klimaneutralen“ Zukunftstechnologien – und boomt. Die Bilanz des Nabu-Kreuzfahrtrankings ist jedoch ernüchternd.

Ganz weit hinten im Ranking: Viking Ocean Cruises Foto: Jordi Boixareu/Zuma/picture alliance

Berlin taz | Die Kreuzfahrtbranche bemüht sich, von ihrem Image als Klimasünder loszukommen. Wirklich mutige Investitionen, die das Steuer in Richtung Klimaneutralität herumreißen würden, bleiben laut Nabu-Kreuzfahrtranking aber eine Ausnahme. Die Zahl der Kreuz­fahrt­gäs­t*in­nen steigt derweil auch in diesem Jahr weiter an.

Wer sich auf den Websites der deutschen Anbieter nach Nachhaltigkeit sucht, könnte von einer Kreuzfahrt mit reinem Klimagewissen zumindest träumen. Der Anbieter „Aida“ verkündet dort beispielsweise, er wolle „ständig mit neuen technischen Innovationen zum Schutz und Erhalt unserer Ökosysteme beitragen.

Der Ausbau der Kreislaufwirtschaft ist dabei genauso wichtig, wie unsere soziale und gesellschaftliche Verantwortung“. Das Kreuzfahrtranking des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) (Nabu) 2025 vom Donnerstag bremst mit seinem Urteil über die Klimaschutzbestrebungen von 14 Reedereien diese Euphorie gewaltig.

Zwar lobt der Nabu die norwegischen Reedereien Havila und Hurtigruten, doch auch sie erhielten nur die Hälfte der zu vergebenden Punktzahlen. Im Mittelfeld landeten Aida und Tui, abgeschlagen hinten Norwegian Cruise Line sowie Royal Caribbean. Zaghaft hätten einige Reedereien Schritte zur Emissionsreduktion getan – etwa durch energieeffizientere Neubauten oder die Umrüstung zur Landstromnutzung.

Der Einsatz von fossilen Brennstoffen überwiegt

Dabei wird der hohe Stromverbrauch der schwimmenden Hotelriesen im Hafen nicht mehr mit fossilem Treibstoff, sondern über ein Kabel von Land gedeckt, am besten mit grünem Strom. Das sorge vor allem für sauberere Luft in den deutschen Häfen, so der Nabu.

„Doch der entscheidende Hebel für eine klimafreundlichere Schifffahrt ist der Umstieg auf grüne eFuels,“ sagt Sönke Diesener, Schifffahrtsexperte beim Nabu. Da blieben die Reedereien zögerlich und setzten auf Scheinlösungen. Die Kreuzfahrtanbieter investieren in „Dual-Fuel-Motoren“, die neben Marinediesel auch vermeintlich klimafreundlicheres Biogas und LNG (verflüssigtes Erdgas) tanken können.

Was auf den Websites der Unternehmen nach einer vielversprechenden Lösung aussieht, ist in der Realität jedoch viel komplexer. Denn auch wenn die Reedereien ihre Flotten zunehmend umrüsten, überwiegt der Einsatz von fossilen Brennstoffen. Das Kreuzfahrtranking stellt hierzu fest: Über die Hälfte der Schiffe fährt immer noch mit dem klima- und umweltschädlichsten Treibstoff Schweröl.

Auch in Bezug auf die alternativen Kraftstoffe gibt es Kritik. Biogas klingt zwar ökologisch, klimaneutral ist der Treibstoff aber nicht. Zwar wird bei der Verbrennung nur die Menge an CO₂ freigesetzt, die bei der Produktion in der Biomasse gespeichert wurde. Allerdings entstehen durch Anbau und Transport der Energiepflanzen, den Bau und Betrieb der Anlagen viele CO₂-Emissionen.

Eingestürzte Brückentechnologie

Auch entweichen durch undichte Stellen und von oft nicht abgedeckten Gärresten die Klimagase Methan und Lachgas – mit einer deutlich größeren Klimawirkung als CO₂. Dies wirkt sich negativ auf die Klimabilanz von Biogas aus.

Das Flüssigerdgas LNG ist einer Studie des International Council for Clean Transportation (ICCT) zufolge gar keine Lösung. Die Klimabilanz des Treibstoffs fällt sogar schlechter aus als bei Marinediesel, da die genutzten Schiffsmotoren besonders viele Methanemissionen verursachen. Hinzu kommt, dass es sich vor allem um meist extrem umweltschädliches Fracking-Gas aus den USA handelt. Als „Brückentechnologie“ taugt LNG also nicht. Neue Zahlen des weltweit größten Branchenverbands CLIA zufolge wird etwa jedes zweite neu gebaute Kreuzfahrtschiff vorrangig mit LNG fahren.

Der Nabu warnt vor fossilen Lock-ins und fordert, die Attraktivität und damit Verfügbarkeit für klimafreundlichere Treibstoffe zu steigern. Als vielversprechendste Alternative für die Kreuzfahrt hebt eine Nabu-Studie E-Methanol hervor. „Für die Reedereien ist der Umstieg auf sauberere fossile Alternativen sowohl technisch machbar als auch wirtschaftlich zumutbar“, fordert Raija Koch, Nabu-Expertin für Schifffahrt. In der Branche beklagt man jedoch die geringe Verfügbarkeit und hohen Kosten – und schiebt die Verantwortung dafür der Politik zu.

Branche schiebt Verantwortung auf Politik

„Erst mit ihren Entscheidungen entsteht der Markt für strombasierte Kraftstoffe“, sagte Aida-Chef Felix Eichhorn erneut am Dienstag. Damit bezieht er sich auf Verhandlungen der internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO im Oktober, bei denen globale Klimaschutzmaßnahmen für die Branche beschlossen werden sollen. Die Einhaltung des Klimaneutralitätsziels der Branche bis 2050 macht er von EU-Investitionen in nachhaltige Treibstoffe abhängig.

Nabu-Experte Diesener sieht das kritisch. „Die Kreuzfahrtbranche bewegt sich seit Jahren weniger als die Warenschifffahrt“, sagt er. Dabei habe sie es sogar eigentlich leichter, weil es zu der Umrüstung auf Methanol weniger Alternativen gebe. Die „Mein Schiff 7“ von Tui ist derzeit das einzige deutsche Kreuzfahrtschiff, das mit Methanol betankt werden kann. Es soll 2026 das erste Mal „klimaneutral“ in See stechen.

Für die Kreuzfahrtgäste scheint die Umweltdebatte wenig relevant: Die Branche boomt weiter. Weltweit nahmen im vergangenen Jahr 34,6 Millionen Menschen an einer Kreuzfahrt teil, 9,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Für 2025 prognostiziert die Branche sogar einen weiteren Zuwachs auf 37,7 Millionen Passagiere.

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2 Kommentare

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  • Nur mal zum Bild: Was man sieht, ist Russ. Die wirklich umweltschädlichen Emissionen sieht man nicht. Weder die Treibhausgase noch die Schwefeloxide.

  • Die eigentliche Frage ist doch: Warum überhaupt Kreuzfahrten? Selbst bei Null-Emissionen der Schiffe werden in den angefahrenen Zielen enorme Umweltschäden produziert. Venedig, Dubrovnik, Santorin und viele andere könnten ein Lied davon singen wenn ihnen das Singen nicht schon längst vergangen wäre.