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Nach Aussagen zu Mord an Charlie KirkJimmy Kimmel Show wird vorerst abgesetzt

Der Sender ABC setzt die Show des Late-Night Moderators Jimmy Kimmel vorerst aus. Das ist ein weiterer Zug in Trumps Kampf gegen die Medien.

Entlassen: Jimmy Kimmel Foto: Scott A Garfitt/Invision/dpa
Johannes Drosdowski

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Johannes Drosdowski aus Berlin

taz | Jetzt ist Trump ihn los – zumindest im Fernsehen: Der Sender ABC, der zur Walt Disney Company gehört, hat die Late-Night-Show von US-Moderator Jimmy Kimmel ausgesetzt. Vorausgegangen war eine Diskussion um Kimmels Äußerungen zur Tötung des ultrarechten Podcasters und Trump-Vertrauten Charlie Kirk vergangenen Mittwoch. In der Sendung ging es jedoch gar nicht detailliert um Kirk, sondern um den Umgang mit dessen Tod aufseiten von Trump und seinen Anhänger*innen.

Kimmel hatte am Montag in seiner Late-Night-Show „Jimmy Kimmel Live!“ die „MAGA-Gang“ kritisiert. Die habe versucht, den mutmaßlichen Attentäter Tyler Robinson „als alles andere als einen von ihnen“ darzustellen. Sie täte „alles Mögliche, um daraus politisches Kapital zu schlagen“. Tatsächlich sind Details zum Motiv bisher nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft wirft Robinson vor, den Anschlag wegen Kirks politischer Ansichten begangen zu haben.

Kimmel jedoch ging in der Show nicht auf die Motive ein, sondern trifft Trump, der in der vergangenen Woche immer wieder eine tiefe Verbundenheit mit Kirk betonte und damit die Debatte noch stärker emotionalisierte, an genau diesem Punkt: seiner Beziehung zu Kirk. Dafür spielte er auch einen kurzen Interviewausschnitt ein. Darin wird Trump gefragt, wie es ihm gehe nach dem Tod seines Vertrauten. „Ich glaube ganz gut“, antwortet der.

Dann schwadroniert er über einen Ballsaal, der ans Weiße Haus angebaut werden soll. Kimmel: „So trauert ein Erwachsener nicht um einen getöteten Freund. So trauert ein Vierjähriger um einen Goldfisch.“ Auf Youtube hat dieser Teil der Sendung, der am Dienstag hochgeladen wurde, über 3,5 Millionen Aufrufe. Kimmels Accounts auf der Plattform hat beinahe 21 Millionen Abos.

„Krieger für die Redefreiheit“

Wer sich so prominent gegen Trump äußert, zieht selbstredend dessen Wut auf sich. Und die seiner Anhänger. Und die der US-Medienaufsichtsbehörde FCC, die für die Aufsicht von Radio- und Fernsehsendern zuständig ist ebenso wie für die Vergabe von Sendelizenzen. Deren momentaner Chef Brendan Carr, drohte den ABC-Sendern sogar mit Lizenzentzug, wenn sie die Show weiter ausstrahlen. Carr, der mit Elon Musk befreundet ist, wurde von Trump eingesetzt und von ihm als „Krieger für die Redefreiheit“ bezeichnet – der freilich unliebsamen Stimmen eben diese nehmen will.

Nachdem die Entscheidung von ABC bekannt wurde, gratulierte Trump auf seiner eigenen Social-Media-Plattform Truth Social dem Sender zu seinem „Mut, endlich zu tun, was getan werden musste“. Bereits vor der Entscheidung gegen Kimmel hatte die Regierung Trump deutlich gemacht, dass sie gegen Medien und Me­di­en­ver­tre­te­r*in­nen vorgehen wird, deren Aussagen über Kirk ihnen nicht passen.

Dass Trump etwas gegen die Moderatoren von Late-Night-Sendungen hat, ist bereits seit Langem klar. Schon in seiner ersten Amtszeit verwickelte er sich etwa in Auseinandersetzungen Stephen Colbert. Im Juli zeigte er sich auch sehr erfreut über Colberts Entlassung beim Sender CBS, der zu Paramount gehört. CBS sagte, es sei eine rein finanzielle Ent­scheidung gewesen. Kurz davor hatte sich Paramount Global im Streit mit Trump um ein angeblich manipuliertes Kamala-Harris-Interview auf eine Zahlung von 16 Millionen Dollar geeinigt. Trump schrieb damals auf seiner Plattform, dass er es „großartig“ fände, dass Colbert „gefeuert“ wurde. Und er drohte: „Ich habe gehört, Jimmy Kimmel ist als Nächster dran.“

Und nun? Droht er den Late-Night-Hosts Jimmy Fallon und Seth Meyers. Nach der Kimmel-Entscheidung rief er den Sender NBC auf, deren Sendungen abzusetzen und bezeichnete die beiden als „totale Versager“.

Zuvor hatte sich auch die Nexstar Media Group zu Kimmel geäußert und sich von ihm abgewendet. Sie betreibt 23 ABC-Tochterunternehmen, strahlt lokal ABC-Programme aus und ist der größte Player auf dem TV-Markt der USA, besitzt landesweit beinahe 200 unterschiedliche Sender. Dass sie vor dem pressefeindlichen Präsidenten einknickt, könnte die Medienvielfalt der USA erschüttern.

Trump hatte bereits während seiner ersten Amtszeit versucht, gegen Jour­na­lis­t*in­nen vorzugehen und Sendeanstalten immer wieder mit dem Entzug ihrer Lizenzen gedroht. Seit er wieder im Amt ist, ist er bei seinem Vorgehen gegen Medien und insbesondere die Presse noch harscher geworden. So verklagt er momentan in einem Rachefeldzug die New York Times wegen angeblicher übler Nachrede auf 15 Millionen US-Dollar.

Auch gegen das Wall Street Journal ging Trump im Sommer gerichtlich vor, weil ihm die Berichterstattung über seine Beziehung zu Sexualstraftäter Jeffrey Epstein nicht gefiel. Zudem sollen ausländische Jour­na­lis­t*in­nen nur noch Visa für 240 Tage statt für mehrere Jahre bekommen, eine Methode unabhängige Berichterstattung im Ausland einzuschränken. Anfang des Jahres hatte er bereits die Nachrichtenagentur AP aus dem Weißen Haus ausgeschlossen.

Kritik aus Deutschland

Die vorübergehende Aussetzung von Kimmels Show wird in den USA von Künstler- und Autorengewerkschaften ebenso wie von demokratischen Po­li­ti­ke­r*in­nen als Angriff auf die Rede- und Pressefreiheit kritisiert. Die Gewerkschaft der Au­to­r*in­nen und Schau­spie­le­r*in­nen schrieb in einer Mitteilung: „Unsere Worte haben euch reich gemacht. Uns zum Schweigen zu bringen, macht die ganze Welt ärmer.“

Diese Entwicklung wird auch in Deutschland kritisch betrachtet. „Wir beobachten eine galoppierende Erosion der Presse- und Meinungsfreiheit in den USA“, kritisiert Mika Beuster, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands, in einer Mitteilung. „Dass Trump und sein MAGA-Gefolge aus allen Rohren gegen Medienschaffende schießen, erinnert an das Gebaren autokratischer Machthaber.“

In dieser Si­tua­tion benötigten Journalisten die uneingeschränkte Unterstützung ihrer Sender und Zeitungen. Er ging auch auf den Fall der ZDF-Moderatorin Dunja Hayali ein, die nach ihrer Anmoderation eines Beitrags zum Fall Kirk mit dem Tod bedroht wurde. Beuster nennt das ein „Alarmsignal für den demokratischen Diskurs“. Mit Blick auf die USA sagt er: „ABC und CBS unterliegen einem Trugschluss. Ihre Liebedienerei gegenüber Trump bringt ihnen keine Ruhe, sondern wird weiteren Druck zur Folge haben.“

Hinzu kommt, dass Trump auch auf soziale Medien, also mögliche alternative Orte für freie Meinungsäußerung, starken Einfluss hat. Zum einen gehört ihm mit Truth Social eine eigene Plattform. Zum anderen unterstützt Twitter auch weiterhin algorithmisch und durch seine Abkehr von Content-Moderation rechte Accounts und Strömungen, die Trump nützen – auch wenn er inzwischen wohl mit Besitzer Elon Musk gebrochen hat.

Meta hat sich Trump seit seiner Wahl angenähert. Und auch bei Tiktok könnte Trumps Einfluss bald wachsen: Das chinesische Mutterunternehmen muss sein US-Geschäft verkaufen, um in den USA weiter in den App-Stores zugänglich zu sein. Ex­per­t*in­nen erwarten für Freitag Informationen dazu, welche Firmen dort einsteigen und vermuten: Die US-Regierung könnte das Recht bekommen, ein Vorstandsmitglied zu bestimmen.

Dieser Text wurde aktualisiert am 18. September, 17.00 Uhr

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