Nach Gewalt gegen Kopten in Kairo: Demokratiebewegung unter Schock

Zwei Tage nach den Straßenschlachten sprechen Aktivisten und die liberale Presse von einem endgültigen Bruch zwischen Volk und Militär. Der erste Minister tritt zurück.

Christliche Kopten trauern um die Toten in Kairo. Bild: reuters

KAIRO taz | Das ägyptische Militär weist zwei Tage nach dem tödlichen Angriff auf hauptsächlich koptische Demonstranten alle Verantwortung von sich. "Die Soldaten haben nie auf Protestierende geschossen, sie hatten nicht einmal Patronen", sagte General Ismail Osman, Mitglied des herrschenden Militärrats.

Am Sonntag waren bei dem Angriff des Militärs auf eine Demonstration und anschließenden Straßenschlachten mindestens 27 Menschen ums Leben gekommen, rund 400 wurden verletzt. Ob es, wie zuvor behauptet, auch Tote aufseiten des Militärs gab, ist unklar. Der Militärrat weigert sich, darüber Auskunft zu geben.

In einer Reaktion auf den "schwarzen Sonntag" trat am Dienstag der Finanzminister und stellvertretende Regierungschef Hazem al-Bablawy aus Protest zurück. Laut einem Pressebericht machte er in einem Schreiben an Premierminister Essam Scharaf und das Kabinett für die Vorfälle verantwortlich und forderte sie ebenfalls zum Rücktritt auf. Seitens des Militärrats lag zunächst keine Reaktion vor.

Unterdessen reichte eine Gruppe von Menschenrechtsorganisationen bei der Staatsanwaltschaft Klage gegen den Informationsminister Osama Heikal wegen Volksverhetzung ein. Dies bezieht sich auf die Berichterstattung des staatlichen Fernsehns sowie Aufrufe, bewaffnet auf die Straße zu gehen und die Armee gegen "christliche Extremisten" zu unterstützen.

Soldat brüstet sich mit Erschießung

Die Demokratiebewegung in Ägypten steht weiterhin unter Schock. Im Internet tauchten neue Videos auf, die zeigen, wie Soldaten von Fahrzeugen aus in fliehende Menschen feuern oder mit Panzerfahrzeugen in die Menge rasen. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Soldat sich brüstet, einen Demonstranten erschossen zu haben, und bejubelt wird.

Aktivisten und die liberale Presse sehen den Tag als endgültigen Bruch zwischen Volk und Militär an. "Kann das Militär sich je wieder brüsten, während der Revolution nicht aufs eigene Volk geschossen zu haben?", fragt Karima Kamal in der englischen Onlineausgabe der Zeitung Al-Masr Al-Youm. "Oder hat das nur für Muslime gegolten?" Der Journalist Abdel-Rahman Hussein schreibt: "Ja, es gibt Diskriminierung gegenüber Christen. Aber hier geht es darum, dass die ägyptische Armee grundlos und kaltblütig Zivilisten tötet - am Tag, mitten in Kairo."

Am Montagabend marschierten Tausende zum Tahrirplatz, um dort des getöteten Aktivisten Mina Daniel zu gedenken. Auch für die nächsten Tage sind Proteste angekündigt. Staatsfernsehen und die zensierten arabischsprachigen Zeitung sprechen von Angriffen "religiöser Extremisten" auf die Armee.

Doch die denkt nicht daran, an ihrem harten Vorgehen etwas zu ändern. Am Dienstag nahmen Soldaten zwei französische Journalisten fest, die vor dem Gerichtsgebäude auf das Prozessergebnis von Maikel Nabil Sanad warteten. Der Militärkritiker wurde wegen eines Blogeintrags zu drei Jahren Haft verurteilt und ist seit fast 50 Tagen im Hungerstreik. Nun soll das Verfahren vor einem anderen Militärgericht neu aufgerollt werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.