Nach Kriegsende in die USA: Wie die CIA Naziverbrecher schützte

Lange wurde er unter Verschluss gehalten. Jetzt zeigt ein Bericht, wie die USA zum Zufluchtsort für NS-Schergen wurde. Er räumt auch mit alten Zahlen auf.

Von allem kann sich die CIA nicht reinwaschen. Bild: dpa

WASHINGTON taz | "Entwurf" ist in großen Lettern auf jede Seite des Berichts gestempelt. Der Text unter dem Stempel ist zu weiten Teilen gelöscht. Die Namen, die Orte, die Zahlen sowie zahlreiche Details über die Nachkriegs-Zusammenarbeit zwischen CIA und hochrangigen NS-Verbrechern sollten geheim bleiben. "Personenschutz", begründete das Justizministerium in Washington die Zensur. Erst durch eine Klage des National Security Archive und durch eine Veröffentlichung der New York Times sind an diesem Wochenende Einzelheiten bekannt geworden.

Der Bericht über den Umgang mit NS-Verbrechern, die nach Kriegsende in die USA gekommen sind, war im Jahr 1999 von Justizministerin Janet Reno in Auftrag gegeben worden. Im Jahr 2006 legten Mark Richard und Judy Feigin, juristische Mitarbeiter des US-Ministeriums, die fertige Arbeit vor.

Ihr 600 Seiten langer Text beschreibt unter anderem, wie die CIA den Eichmann-Mitarbeiter Otto von Bolsching, der den Plan zur "Endlösung" mit entwickelt hat, und den Raketenforscher Arthur L. Rudolph, der als Leiter der Mittelwerk-Rüstungsfabrik im Harz KZ-Insassen zu Tode schuften ließ, geschützt hat. Und wie die CIA als Begründung dafür "nationale Interessen der USA" geltend gemacht hat. Zugleich stellt der Bericht fest, dass die Zahl der Nazis, die nach Kriegsende in die USA gekommen sind, wahrscheinlich deutlich niedriger war als die bislang angenommenen 10.000 Personen.

"Amerika, das stolz darauf ist, eine sichere Zuflucht für Verfolgte zu sein, ist - in einem kleinen Rahmen - auch ein Zufluchtsort für Verfolger", heißt es. Der Bericht beschreibt eine "Kollaboration zwischen US-Regierung mit Verfolgern". Die Forscher stellen fest, dass die USA "wissentlich" NS-Verbrecher aufgenommen haben. Und sie zitieren, wie die CIA Verhaltensregeln für den Fall des Auffliegens von NS-Verbrechern entwickelt hat. CIA-Vorschläge: Leugnen oder mildernde Umstände geltend machen.

Doch die große Öffentlichkeit sollte jahrelang nichts von dem Bericht erfahren. Das Justizministerium hielt ihn unter Verschluss. Der im vergangenen Jahr an Krebs gestorbene Co-Autor Mark Richard hat bis wenige Tage vor seinem Tod vergeblich auf die Veröffentlichung gedrängt. Das Justizministerium behauptete, der seit 2006 nicht mehr bearbeitete Text sei lediglich ein "Entwurf" und "unfertig".

Erst nach einer Klage des National Security Archive, das sich unter anderem auf das Recht auf Informationsfreiheit beruft - Archivdirektor Tom Blanton: "Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen" -, gab das Ministerium einen kleinen Teil des Berichts frei. Auf einigen Seiten sind allerdings mehr als 80 Prozent des Textes gelöscht. David Sobel, der Anwalt des Archivs, der die Klage auf Veröffentlichung einreichte: "Jetzt, wo wir das ganze Dokument kennen, wissen wir, dass das Justizministerium ohne legale Berechtigung Informationen zurückhält."

Jetzt hat die New York Times einige der zensierten Details veröffentlicht. Darin beschreibt der Bericht, wie das US-Justizministerium im Jahr 1997 den "unwiderlegbaren Beweis" gefunden habe, um die Schweiz wegen des Kaufs von Gold jüdischen Opfern zu beschuldigen. So bezeichnet der Bericht die Gespräche zwischen USA und Lettland aus dem Jahr 2000 über die Verfolgung von NS-Verbrechern als "scheußliches Versagen".

Und so erwähnt der Bericht, dass ein Direktor der Abteilung OSI (Office of Special Investigation) im US-Justizministerium jahrelang ein Stück Kopfhaut des NS-Verbrechers Josef Mengele in einer Schublade in Washington aufbewahrt hat. Die Kopfhaut sollte als Beleg dafür dienen, dass Mengele tatsächlich im Jahr 1979 in Brasilien gestorben war.

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