Nach Studentenprotesten in Chile: Bildungsminister tritt zurück

Seit mehr als einem halben Jahr demonstrieren die Chilenen für mehr Chancen im Bildungswesen. Das Vertrauen in die Regierung schwindet. Nun trat Bildungsminister Bulnes zurück.

Im Tränengas: Protest für eine Bildungsreform in Valparaiso kurz vor Weihnachten. Bild: reuters

SAO PAULO epd | Nach monatelangen Studentenprotesten ist der chilenische Bildungsminister Felipe Bulnes zurückgetreten. Regierungssprecher Andres Chatwik sagte am Donnerstag (Ortszeit), Bulnes habe persönliche Gründe für seine Amtsaufgabe geltend gemacht. Am Abend wurde bereits Harald Beyer als neuer Bildungsminister vereidigt, der die Regierungslinie vertritt und ein kostenloses Bildungssystem ebenfalls ablehnt.

Seit Mai gehen in Chile Studenten, Lehrer und Schüler auf die Straße und demonstrieren für ein frei zugängliches öffentliches Bildungswesen. Das Land erlebt mit den Demonstrationen die größten Proteste seit Ende der Pinochet-Diktatur 1990.

Auch Agrarminister José Antonio Galilea reichte seinen Rücktritt ein. Damit erfolgt die vierte Kabinettsumbildung seit Amtsantritt von Staatschef Sebastian Piñera im März 2010. Nach einer zeitgleich veröffentlichten Umfrage sank die Popularität von Piñera auf nur noch 23 Prozent und damit auf den niedrigsten Wert für einen Staatschef seit 1990. Nur sieben Prozent der Befragten stimmten der Bildungspolitik der Regierung zu.

Verhandlungen waren gescheitert

Bulnes war erst seit rund sechs Monaten im Amt. Er hatte sich zweimal mit Studentenvertretern zu Verhandlungen getroffen, die kurz darauf abgebrochen wurden. Die Studentenvereinigung Fech und die Lehrergewerkschaft warfen der Regierung mangelnde Kompromissbereitschaft vor.

Bulnes hatte Studenten und Universitäten wiederholt aufgefordert, die Lehrveranstaltungen fortzusetzen. Falls nicht, würden ihnen die staatlichen Zuwendungen gestrichen. Bulnes' Vorgänger Joaquim Lavin war im Juni zurückgetreten. Er hatte die Studentenproteste mit Polizeigewalt niederzwingen wollen.

Selbst staatliche Hochschulen verlangen in Chile oft Tausende Euro Gebühren im Jahr, die sich viele Familien nicht leisten können. Noch teurer ist eine Ausbildung an einer privaten Hochschule, deren Zahl in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen ist. Nur ein Viertel des Bildungssystems wird öffentlich finanziert.

Die Vizepräsidentin der Stundenbewegung Fech, Camila Vallejo, äußerte sich enttäuscht über die Regierung, die nach mehr als sieben Monaten noch keine Reform im Bildungswesen zustande gebracht habe. "Es ist nur ein Austausch der Gesichter", kommentierte sie den Amtsantritt des neuen Ministers. Fech-Präsident Gabriel Boric kündigte eine Fortsetzung der Proteste an.

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