Nach Urteil zu Unabhängigkeitspolitikern: Dutzende Verletzte bei Protesten

In Katalonien zeigen die Unabhängigkeitsbefürworter ihren Unmut bei Demos, Sit-ins und Besetzungen. Dabei kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen.

Stiefel in den Farben der katalanischen Flagge dekoriert und nackte Beine vor Flammen

Katalanisch bis in die Zehenspitzen Foto: Juan Medina/reuters

MADRID taz | In Katalonien kam es am Dienstagabend erneut zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. Die Unabhängigkeitsbewegung hatte zu einem friedlichen Sit-in vor dem Gebäude der Delegation der Zentralregierung in Barcelona sowie den Subdelegationen in den Provinzhauptstädten Tarragona, Lleida und Girona gerufen.

Allein in Barcelona kamen nach Polizeiangaben 40.000 zusammen, um ihrem Unmut über die Verurteilung von neun Unabhängigkeitspolitikern und -aktivisten zu 9 bis 13 Jahren Haft wegen Aufstands in Zusammenhang mit dem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum vor zwei Jahren Ausdruck zu verleihen.

Doch gegen Ende der Kundgebungen geriet das Ganze außer Kontrolle. Kleine Gruppen versuchten bei allen Kundgebungen die Polizeiabsperrungen der katalanischen Mossos d'Esquadra und der spanischen Nationalpolizei zu durchbrechen. Diese rückten mit Schlagstöcken vor.

Zu den heftigsten Auseinandersetzungen kam es dabei in der katalanischen Hauptstadt Barcelona. Dort steckten die Demonstranten Mülleimer und Abfall in Brand, um die Polizei auf Distanz zu halten. Es war das erste Mal, dass eine von der Bürgerbewegung Katalanische Nationalversammlung (ANC) organisierte Mobilisierung mit Gewalt endete. Die Bilanz: dutzende Verletzte und mindestens 50 Festnahmen.

Straßen und Schienen besetzt

Bereits am Vortag war es am Flughafen von Barcelona zu schweren Polizeieinsätzen gegen eine Menschenmenge gekommen, die die Abflughalle besetzten. Dabei verlor ein Demonstrant durch ein Gummigeschoss ein Auge, ein anderer Teile seiner Hoden.

Sowohl am Montag als auch am Dienstag hatten kleinere Gruppen überall in der nordostspanischen Region Straßen und Schienen besetzt, um den Verkehr zu unterbinden. Die Hochgeschwindigkeitsstraße ins benachbarte Frankreich war über einen Tag unterbrochen, nachdem Demonstranten auf den Gleisen eine brennende Barrikade errichtet hatten. Kaum repariert, musste der Zugverkehr wieder eingestellt werden. Sabotage an den Glasfiberkabeln, heißt es.

Am heutigen Mittwoch begann ein dreitägiger „Marsch für die Freiheit“. Fünf Marschsäulen ziehen nach Barcelona. Das beeinträchtigt den Verkehr in Katalonien zusätzlich. Die „Kampagne des zivilen Ungehorsams“, wie die „Komitees zur Verteidigung der Republik“ (CDR) die Blockaden und Kleinaktionen überall im Lande getauft haben, wird wohl auch in den nächsten Tagen anhalten. Die CDR riefen über die sozialen Netzwerke die katalanische Regierung auf, mit dem „spanischen Staat zu brechen“.

Für Mittwoch hat der katalanische Ministerpräsident Quim Torra seinen Vize, seine Regierungssprecherin und seinen Innenminister zu einer dringenden Sitzung gerufen, um die Lage zu beurteilen. Am Donnerstag tritt das katalanische Parlament zusammen, um eine Einschätzung zum Urteil gegen die neun Unabhängigkeitspolitiker und – aktivisten abzugeben, und sich über die Situation zu beraten, wie mit der Situation umgegangen werden soll.

Regierungschef berät sich heute mit Fraktionen

Die Regierung in Madrid unter dem Sozialisten Pedro Sánchez veröffentlichte Dienstagabend kurz vor Mitternacht eine Erklärung. Die Proteste gegen das Urteil seien nicht die Aktionen „einer friedlichen Bürgerbewegung“, sondern werde „von Gruppen koordiniert, die Gewalt auf der Straße einsetzen, um das Zusammenleben in Katalonien zu beenden“.

Sánchez will sich noch am Mittwoch mit den Chefs der konservativen Partido Popular, dem der rechtsliberalen Ciudadanos und der linksalternativen Unidas Podemos treffen, um über Katalonien zu beraten. Immer wieder ist die Rede von der Anwendung des „nationalen Sicherheitsgesetzes“. Dies würde Madrid direkt die Hoheit über die katalanischen Polizeikräfte geben.

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