Nach dem EU-Türkei-Abkommen: Unsicherheit in Idomeni

Die Flüchtlinge, die schon in Griechenland sind, wissen nicht, wie es mit ihnen weitergeht. Ein Besuch an der mazedonischen Grenze.

Manner stehen am Grenzzaun

Wie geht es weiter? Geht es weiter? Foto: ap

IDOMENI taz | Den biblischen Plagen sind nun auch die Flüchtlinge in Idomeni ausgesetzt. Nach Krieg und Vertreibung, nach der gefahrvollen Flucht, nach dem wochenlangen Regen und Schlamm nun ein Sturm. Zwar scheint die Sonne, der Wind jedoch rüttelt gefährlich an den Zelten. An manchen Stellen fällt das aufrechte Stehen schwer. Decken und Plastikbahnen fliegen durch die mit Sand und Staub durchsetzte Luft.

Doch der 43-jährige Automechaniker Fibraz Abrash aus Homs in Syrien ist dennoch gut gestimmt. Umringt von seinen drei kleinen Kindern, die sich an seiner Jacke festhalten, interpretiert er die Beschlüsse der Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei als ein Zeichen, dass „wir hier bald nach Deutschland kommen.“ Die Beschlüsse beträfen ja nur die Flüchtlinge, die ab Sonntag nach Griechenland kämen. „Werden wir schon in den nächsten Tagen weiterreisen dürfen?“, fragt er.

So viel Hoffnung wie er haben andere nicht. Die meisten der hier noch in Idomeni verbliebenen 10.000 Menschen sind sich unsicher über das, was das alles bedeutet. Dem 25-jährigen Syrer Ali Shihada ist aufgefallen, dass über die jetzt in Griechenland befindlichen Flüchtlinge im Türkeiabkommen nichts ausgesagt wird. „Wir wissen also gar nicht, wie es weitergeht.“ Und der ehemalige Juwelier Mahmud Naijar (48) hat sogar Angst , in die Türkei zurückgeschickt zu werden. „Das wird doch nicht passieren?“ fragt er bang.

Doch auch der Sprecher des UNHCR Barbar Baloch weiß nicht so richtig, wie es weitergeht. Für die in Griechenland befindlichen Flüchtlinge müsste Klarheit geschaffen werden. „Die Griechen wollen die Flüchtlinge hier in Idomeni auf andere Lager verteilen, das wird hoffentlich bald möglich sein.“ Man müßte den Flüchtlingen in Idomeni Zugang zu einem Asylverfahren verschaffen, und einen realistischen Weg aufzeigen.

Die komplizierten Verhältnisse innerhalb der EU mit den 28 Staaaten, die alle einem Kompromiss zustimmen müssen, sind für die Flüchtlinge unverständlich. So wird nach einfachen Erklärungen gesucht. „Die Afghanen sind schuld,“ ruft ein Mann in die Traube, die sich bei der Diskussion um den Reporter gebildet hat. Viele syrische Flüchtlinge neigen schon dazu, die Afghanen für die Schließung der Grenze vor drei Wochen verantwortlich zu machen. Syrer waren ja, bevor niemand mehr durch die Grenze durchgelassen wurde, zunächst noch als Kriegsflüchtlinge anerkannt, Afghanen aber nicht mehr. Die Aggressionen haben sich in den letzten Nächten in Schlägereien zwischen Syrern und Afghanen entladen. In der Nacht zum Freitag wurden mehrere Afghanen verletzt.

Die Unsicherheit über die Zukunft mache die Leute nervös, sagen auch mehrere freiwillige Helfer, die weiterhin gespendete Kleidung, Schuhe, Decken und Lebensmittel verteilen. Nach wie vor ist die Hilfsbereitschaft ungebrochen. Täglich kommen Lastwagen und Kleintransporter aus Österreich und Deutschland an, griechische Freiwillige verteilen Obst, das von ihren Landsleuten aus der Umgebung gespendet wurde.

Freiwillige Helfer aus Tschechien loben die finanzielle Unterstützung aus der linken Szene Deutschlands für die am letzten Montag von der makedonischen Polizei festgenommenen Freiwilligen, die 2000 Flüchtlingen halfen, einen reißenden Fluß zu überqueren, aber von makedonischen Sicherheitskräften festgesetzt wurden. Erst nach der Zahlung von jeweils 250 Euro aus eigener Tasche durften sie wieder nach Griechenland zurückkehren. Solidatritätskonzerte würden in Deutschland organisiert, „die deutschen Linken sind schon toll,“ sagt Step aus Prag.

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