Nach dem Rücktritt Faymanns: Warten auf den neuen Bundeskanzler

Die SPÖ will in der nächsten Woche über die neue Personalie entscheiden. Zwei Männer von außen sind im Gespräch.

Ein Mann mit Headset und Anzug mit gesenktem Blick

Bei der Personaldiskussion vorne dabei: Christian Kern, Chef der ÖBB Holding Foto: reuters

WIEN taz | Österreich soll am kommenden Dienstag einen neuen Bundeskanzler bekommen. Nach dem überraschenden Rücktritt von Werner Faymann (SPÖ) am Montag hat die SPÖ eine Vorstandssitzung für den 17. Mai einberufen. Dort soll der neue Parteichef designiert werden, der dann auch das Amt des Regierungschefs übernehmen wird.

Wie glatt dieser Personalwechsel über die Bühne geht, hängt nicht zuletzt vom Koalitionspartner ÖVP ab. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der von Bundespräsident Heinz Fischer mit der interimistischen Regierungsführung betraut wurde, ließ wissen, man werde sich „sehr genau anschauen“, ob der neue SPÖ-Chef die nötige Regierungserfahrung mitbringe. Im Übrigen hat die ÖVP klargemacht, dass der neue Mann am Kurs in der Flüchtlingspolitik nicht rütteln dürfe.

Das Einschwenken Faymanns auf die restriktive ÖVP-Linie mit Grenzzäunen und Obergrenzen bei der Aufnahme von Asylsuchenden war eine Ursache für die Unruhe in der SPÖ. Ende April hatten vier Abgeordnete bei der Abstimmung im Parlament die Zustimmung zu einem scharfen Asylpaket verweigert. Das widerspricht dem Fraktionszwang, dem sich die Mandatsträger unterzuordnen haben, untergrub also die Autorität des Regierungschefs ebenso wie das Pfeifkonzernt für Faymann, das Basisgruppen beim Maiaufmarsch veranstalteten.

Finanzminister Hans Jörg Schelling von der ÖVP erwartet, „dass eine Person von der SPÖ nominiert wird, die die Reformen mitträgt“. Gemeint sind Reformen, die vor allem der sozialdemokratischen Klientel wehtun. All diese Signale haben in der SPÖ zu Mutmaßungen geführt, der Koalitionspartner wolle Neuwahlen provozieren. Regulär finden die nächsten Nationalratswahlen erst im Herbst 2018 statt. Derzeit liegt in allen Umfragen die rechte FPÖ bei etwa 30 Prozent, während die Regierungsparteien um die 20-Prozent-Marke oszillieren.

Mit Wurzeln in der SPÖ

Eine Flucht in Neuwahlen wäre also aus Sicht der Regierungsparteien irrational. Der Politologe Peter Filzmaier hielt sie in einer ORF-Diskussion trotzdem für möglich, weil die ÖVP nicht abwarten wolle, dass ein neuer Mann frischen Wind in die Regierung bringe und die Zustimmung zur SPÖ deutlich steigere. Eine Verbesserung des Koalitionsklimas zeichnet sich also nicht ab.

Die Personaldiskussion hat sich auf zwei Männer verengt, die von außen kommen. Christian Kern ist Chef der ÖBB Holding, Gerhard Zeiler ist Manager der Turner Broadcasting Systems und lebt derzeit in London. Beide sind aber in der SPÖ verwurzelt und haben ihre Karrieren als Pressesprecher von SPÖ-Funktionären begonnen.

Die rechte FPÖ liegt in Umfragen bei 30 Prozent. Die ­Regierungsparteien oszillieren um die 20-Prozent-Marke

Für Kern spricht sein geringeres Alter. Zeiler ist 60 Jahre alt, Kern zehn Jahre jünger. Zeiler steht allerdings dem interimistischen Parteichef Michael Häupl näher. Ihm wird auch eher zugetraut, mit neuen Akzenten den erhofften frischen Wind zu bringen. Zur Gretchenfrage „Wie hältst du’s mit der FPÖ?“, also: Darf man mit der Truppe von Heinz Christian Strache koalieren, haben beide noch nicht Stellung bezogen.

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