Nach dem Ukraine-Gipfel in Paris: Vielen gefällt Selenskis Stil

Nach dem Gipfel in Paris kann Präsident Wolodimir Selenski erhobenen Hauptes zurück nach Kiew reisen. Dort wird das Treffen positiv bewertet.

Männer stehen vor einer Videoleinwand auf der Selensky, Merkel, Macron und Putin zusehen sind

Übertragung der Pressekonferenz mit Wolodimir Selenski in Kiew Foto: Pavlo Gonchar/imago images

KIEW taz | Er habe Sehnsucht nach Kiew, erklärte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinen Amtskollegen Wladimir Putin, Angela Merkel und Emmanuel Macron nach dem Treffen zum Konflikt in der Ostukraine in Paris. Denn Proteste gegen einen „Verrat“ werden Selenski in Kiew nicht erwarten.

Zahlreiche Wünsche der ukrainischen Seite blieben beim Gipfel zwar unerfüllt. Keine Einigung hatte es in der Frage der Übergabe der ukrainischen Grenze im Donbass an die Ukraine gegeben. Auch konnte man sich nicht auf einen umfassenden Waffenstillstand einigen – lediglich an drei Punkten wollen die Staatschefs die Truppen entflechten.

Trotzdem hat Selenski das schier Unmögliche geschafft: Ukrainer unterschiedlicher politischer Lager geben sich weitestgehend zufrieden mit dem Ergebnis von Paris und mit Selenskis Verhandlungsstil. Kurz nach dem Ende der Pressekonferenz der vier Staatschefs in Paris lösten auch ukrainische Nationalisten, die zwei Tage lang mit rund 2.000 Menschen vor dem Präsidentenpalast in Kiew gegen einen möglichen Verrat von Paris demonstriert hatten und vor einem Nachgeben Selenskis gegenüber Putin gewarnt hatten, ihre Veranstaltung auf.

Zuvor hatte auch der ukrainische Innenminister Arsen Awakow, dem eine Nähe zu den Nationalisten nachgesagt wird, von Paris aus verlauten lassen, dass es bei den Verhandlungen keinen Verrat gegeben habe. Das Onlinemedium Ukraijnska Prawda, das in der Vergangenheit immer wieder vor Kompromissen mit Russland gewarnt hatte, begeistert sich nun für Selenski: „Wie und warum Selenski Putin auf dem Gipfel in Paris besiegt hat“, titelt sie.

Auch Pazifisten sind zufrieden

Das Verhandlungsergebnis sei ein Erfolg, erklärte der Kiewer Politologe Viktor Sawinok gegenüber der taz. Für ihn ist es insbesondere ein Fortschritt, dass das Mandat der OSZE-Beobachter von täglich zwölf Stunden auf 24 Stunden ausgeweitet wurde.

Auch die Pazifisten zeigen sich zufrieden. „Ich habe mir in Paris keine Wunder erwartet“, erklärt Nina Potarska, landesweite Koordinatorin der Womens International League for Peace and Freedom gegenüber der taz. „Doch es wurde ein guter Anfang gemacht.“ Potarska lobt, dass man sich auf weitere Truppenentflechtungen, einen weiteren Gefangenenaustausch und vor allem ein weiteres Gipfeltreffen in vier Monaten geeinigt habe.

Vor wenigen Tagen hatte Potarska mit einer kleinen Gruppe vor dem Präsidentenpalast für eine Intensivierung des Friedensprozesses demonstriert. „Noch vor ein paar Monaten hätten wir uns das nicht getraut“, sagt Potarska. Dass nun auch für Dialog demonstriert werden könne, sei ein Indiz dafür, dass sich atmosphärisch in der ukrainischen Gesellschaft etwas geändert hat.

In Paris wechselte Selenski mehrfach vom Ukrainischen ins Russische

Auch wenn Selenski den Nationalisten inhaltlich entgegengekommen ist, hat er doch von Paris aus einen kleinen Seitenhieb auf diese gewagt. Als störend habe er deren Demonstrationen vor dem Präsidentenpalast empfunden, sie hätten ihn von der Arbeit abgehalten, zitiert die Ukrajinska Prawda den Präsidenten.

Selenski bleibt hart im Kern

Vielen in der Ukraine gefällt der Stil von Selenski. In Paris wechselte er mehrfach vom Ukrainischen ins Russische. Fragen einer russischen Korrespondentin beantwortete er auf Russisch. Bei Poroschenko wäre das so nicht vorstellbar gewesen. Doch in der Sache selbst zeigte sich Selenski härter als Poroschenko.

2015 hatte Poroschenko bei den Minsker Vereinbarungen unterschrieben, dass die Übergabe der Grenze an die Ukraine erst nach Wahlen im Donbass stattfinden kann. Selenski aber besteht darauf, dass die Rückgabe der ukrainischen Gebiete zuerst erfolgen müsse. Erst dann dürfe es Wahlen geben.

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