Nachfolgeproblematik in der Biobranche: Mehr Geld, weniger Transparenz

Die Gründer vieler Ökofirmen sind im Rentenalter. Für die Nachfolge interessieren sich globale Unternehmen – die oft wenig transparent arbeiten.

Ein Einkaufswagen mit Lebensmitteln wird durch einen Supermarkt geschoben (Aufnahme mit langer Verschlusszeit)

Was Bio-Kunden besonders wichtig ist? Transparenz. Foto: dpa

BERLIN taz | Alnatura, Söbbeke, Rapunzel – viele Größen im deutschen Biohandel haben ihre Anfänge in den 1970er und 80er Jahren, ihre Gründer sind mittlerweile im Rentenalter. Für diese „Biopioniere“ stellt sich die Frage, was bei ihrem Ausscheiden mit den Unternehmen passiert. Auch bei vielen Landwirten ist das nicht anders.

„Das beschäftigt die gesamte Branche sehr“, sagt Jan Plagge, Präsident des Anbauverbands Bioland und Vorstandsmitglied im Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Für Hersteller und Händler sei es ein Thema genau wie für die Biobauern. So stehe eine Übergabe in den kommenden Jahren bei 70 Prozent aller deutschen Biohöfe an.

Übergabe – nur an wen? Wenn kein Nachwuchs da ist, der ein Unternehmen weiterführen möchte oder kann, bleibt vielen Firmenchefs der Verkauf. Doch gerade in einer Branche wie dem Biomarkt pochen Kunden auf Transparenz. Zu wissen, welche Firma zu wem gehört, wird allerdings immer schwerer.

„Durch die vielerorts noch anstehende Nachfolgeproblematik haben sich die Besitzverhältnisse auf dem einstmals unterkapitalisierten Biomarkt deutlich gewandelt“, erklärt Karsten Runge, Chefredakteur der Fachzeitschrift Biowelt, im „Kritischen Agrarbericht 2015“, den ein Bündnis aus Öko- und Kleinbauernverbänden sowie Tierschutzorganisationen jährlich herausgibt. Immer mehr Geld drängt auf den Markt. „Damit hat auch die Transparenz über Akteure und Motive spürbar abgenommen.“

Zumal auch die Unternehmen sich teils vermarkten, als rühre noch die Familie in der Küche die Waren nach altem Rezept an: Allos etwa, 1974 von Walter Lang als Selbstversorgerprojekt im niedersächsischen Mariendrebber gegründet, nennt sich heute „Hof-Manufaktur“. Dabei gehört Allos seit 2001 zu einem börsennotierten Unternehmen der niederländischen Wessanen-Gruppe.

Die Messe: Von Mittwoch bis Samstag trifft sich die Ökobranche in Nürnberg zur Naturkostmesse BioFach. Dieses Jahr werden 2.544 Aussteller aus 77 Ländern erwartet – 8 Prozent mehr als im Vorjahr. 2015 besuchten die Messe rund 44.600 Menschen

Die Veranstaltungen: Die Besucher können unter anderem über die Zukunft von Biolandwirtschaft, die Auswirkungen von TTIP auf die Ökowirtschaft und die Transparenz von Handelsmarken diskutieren. Trends sind etwa authentische Produkte mit Geschichte, exotische Getreide sowie Regionalität. (oer)

Biofirmen seien ein attraktives Ziel für globale Unternehmen, sagt Bioland-Präsident Plagge. Wenn Bio jedoch für einen Konzern nur ein austauschbares Sortiment sei, werde es problematisch für die weitere Entwicklung der Branche. „Zentral und wichtig für die Biowirtschaft ist, dass sie sich nicht aufkaufen lässt“, betont Plagge daher. „Die Pionierunternehmen müssen in der Hand von Bio-Unternehmern bleiben – sie sind Motor und Seele der Biobranche.“

Doch bleibt es ja nicht bei den Pionieren – es entstehen auch neue Start-ups im Biobereich, oft mit hohen Ökostandards. Die Latte liegt jedoch nicht bei allen Newcomern so hoch, weiß Martina Merz, Gründerin der auf Nachhaltigkeit spezialisierten Designagentur mërzpunkt, die im vergangenen Jahr auf der Biomesse Next Organic Berlin in der Jury des Start-up Awards saß. „Da merke ich, dass häufig die nachhaltige Konsequenz fehlt.“

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